24-Stunden-Lesung mit Klanginstallation in Saarbrücker Jugendkirche:Gedenktag mit Stör-Elementen
Saarbrücken – Ein Stimmengewirr drängt aus den Türen der Jugendkirche eli.ja in Saarbrücken. Im Inneren ist es noch lauter. Der Kirchenraum ist mit roten Strahlern erleuchtet. Vor der Altarinsel steht ein Bildschirm, auf dem sechsstellige Nummern laufen. Vier Tische sind im Kirchenraum verteilt, an denen einige Schülerinnen und Schüler der Willi-Graf-Schule sitzen und laut vorlesen. Über 100 von ihnen sind am Vormittag des 27. Januars in die Kirche gekommen, um die „Klangstele. Gesang vom Zyklon B. Für das Hören – Gegen das Aufhören“ zu hören oder selbst mitzuwirken.
Anlässlich des 78. Jahrestags der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau hat die Christlich-Jüdische Arbeitsgemeinschaft des Saarlandes (CJAS) in Kooperation mit dem Institut für Lehrerfort- und -weiterbildung (ILF) sowie dem Bistum Trier die 24-stündige Veranstaltung organisiert. An bis zu vier Sprechertischen wird zeitgleich vorgelesen: aus dem „Kalendarium der Ereignisse im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau 1939 – 1945“, aus lyrischen Texten und aus Zeitzeugenberichten aus dem Saarland. Das Publikum ist eingeladen, jeweils einige Minuten selbst vorzulesen. Dazu erklingen in stündlicher Wiederholung Werke von Luigi Nono (“Ricorda cosa ti hanno fatto in Auschwitz”) und Arvo Pärt („Fratres“, „Cantus“, „Pari Intervallo“). Beide Komponisten haben sich in ihrer Musik mit dem Holocaust auseinandergesetzt.
Die 16-jährige Charlotte Kohler, Schülerin der Willi-Graf-Schule, wirkt ruhig, als sie darauf wartet, zum Lesepult zu gehen. „Das Thema ist an sich schon sehr bedrückend. Auch wenn man von den Texten nicht alles versteht – wenn man dann Zahlen heraushört, ist das sehr erschreckend.“ Sie bezieht sich auf Passagen aus dem Kalendarium, die von der Ankunft hunderter Häftlinge in Auschwitz berichten, von denen viele sofort getötet werden. Dann geht sie nach vorne, an den Tisch neben dem Bildschirm, auf dem die Häftlingsnummern der Opfer zu sehen sind. Sie beginnt zu lesen. Manchmal ist ihre Stimme klar zu hören, weil andere Sprecher eine kurze Pause machen. Dann wieder vermischen sich die drei Stimmen, sodass keiner der Texte richtig zu verstehen ist.