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Stellungnahme von Bischof Ackermann

zum Zwischenbericht des Projekts: Sexueller Missbrauch von Minderjährigen sowie hilfs- und schutzbedürftigen erwachsenen Personen durch Kleriker/Laien im Zeitraum von 1946 bis 2021 im Verantwortungsbereich der Diözese Trier: eine historische  Untersuchung; hier „Sexueller Missbrauch an Kindern und Jugendlichen im Bistum Trier in der Amtszeit Bernhard Steins (1967–1981)“

Heute wurde der angekündigte Zwischenbericht der von Prof. Dr. Lutz Raphael und Frau Dr. Lena Haase durchgeführten historischen Untersuchung „Sexueller Missbrauch von Minderjährigen sowie hilfs- und schutzbedürftigen erwachsenen Personen durch Kleriker/Laien im Zeitraum von 1946-2021 im Verantwortungsbereich der Diözese Trier“ vorgestellt. Das Projekt ist von der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Verantwortungsbereich des Bistums Trier (UAK) initiiert, die auch zu diesem Bericht, der die Amtszeit von Bischof Dr. Bernhard Stein (1967-1981) untersucht, Stellung nimmt.

Der Bericht dokumentiert von unabhängiger Seite das, was sich für uns heute Verantwortliche schon in der Befassung mit Fällen abzeichnete, die in die Amtszeit Bischof Steins fallen: Es hat in der Mehrzahl der Fälle keinen ordnungsgemäßen und vor allem keinen betroffenenorientierten Umgang mit den Fällen sexueller Gewalt gegeben.

305 Betroffene und 81 Beschuldigte bzw. Täter nennt die Studie für die Amtszeit von Bischof Stein. Die Aktenrecherche hat ergeben, dass die damaligen Verantwortlichen um 17 der Beschuldigten bzw. Täter sicher wussten. Die Studie bestätigt im Blick auf die Zahlen und das Vorgehen der Bistumsverantwortlichen das, was in den vergangenen Jahren im Zuge der verschiedenen Aufarbeitungsprojekte in den deutschen Bistümern zutage kam. Zugleich ist es, wie es auch die Unabhängige Kommission in ihrer Stellungnahme beschreibt, noch einmal „bedrückender“, wenn wir damit in systematisch-dokumentierter Form für unser eigenes Bistum konfrontiert werden.

Auch für mich persönlich als Bischof ist es bedrückend, dies als Teil der Geschichte unseres Bistums anzunehmen und zu sehen, dass einer meiner Vorgänger zusammen mit seinen engsten Mitarbeitern in dieser Weise gehandelt und damit Menschen schwer geschadet hat. Das schmerzt mich einmal mehr. Zugleich weiß ich um die Wertschätzung, die Bernhard Stein bei vielen Menschen bis heute genießt als ein Bischof, der von der Erfahrung und der Theologie des Zweiten Vatikanischen Konzils geprägt war, der in der Würzburger Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland (1971-1975) engagiert war und die Umsetzung ihrer Beschlüsse in unserem Bistum vorangetrieben hat. Er hat damit ein seelsorglich-pastorales Selbstverständnis und Bild des Bischofs im Bistum etabliert. Gerade dafür sind ihm viele Menschen bis heute dankbar.

Die historische Studie zeigt deutlich Fehlverhalten von Bischof Stein auf. Sicher ist sein Handeln vor dem Hintergrund der damals herrschenden Auffassungen und Verhaltensweisen zu sehen. Darauf weist die Studie hin, indem sie eine historische Kontextualisierung der Verbrechen und des Umgangs damit vornimmt. Die Studie betont auch, dass sie nicht den Anspruch einer Gesamtbewertung der Amtstätigkeit von Bischof Stein erhebt. Trotzdem ist festzustellen, dass auf das Bild des aufgeschlossenen und beliebten Bischofs ein massiver Schatten fällt. Die UAK hält in ihrer Stellungnahme zum vorliegenden Bericht fest, „dass Stein das damalige System gestützt hat. Von ihm sind der UAK keine Bemühungen bekannt, beim Umgang mit Missbrauchsfällen umzusteuern. Der Vorwurf der zumindest moralischen und systemischen Mitverantwortung trifft auch auf ihn zu“.

Von den Verantwortlichen, die in der Studie namentlich genannt werden und noch leben, konnte ich in den letzten Tagen mit dem ehemaligen Dompropst Hermann-Josef Leininger (91), der unter den Bischöfen Stein und Spital Personalverantwortung getragen hat, sprechen. Ich habe ihn über das Ergebnis der Studie informiert. Da es ihm aufgrund seines Alters und seines Gesundheitszustands nicht möglich ist, sich selbst öffentlich zu äußern, hat er mich gebeten, in seinem Namen mitzuteilen, dass ihm sein damaliges Handeln von Herzen Leid tut. Besonders bedrücke es ihn, dass er wie auch die anderen damals Verantwortlichen keinen Blick für die betroffenen Kinder und Jugendlichen hatten und dass es keine wirksame Nachkontrolle der Beschuldigten und Täter an ihren neuen Einsatzorten gab. Er bittet alle, denen er durch sein Tun oder Unterlassen Schaden zugefügt hat, aufrichtig um Verzeihung.

Welche Konsequenzen ziehe ich zusammen mit den übrigen Verantwortlichen aus diesem Bericht? 

Zunächst möchte ich noch einmal betonen, dass ich mich mit aller Entschiedenheit von dem in der Studie aufgezeigten praktizierten Umgang mit Fällen sexueller Gewalt im Bistum Trier distanziere. Wir werden weiter entschieden daran arbeiten, geschehenes Unrecht aufzuarbeiten, gemeldete Fälle so weit wie möglich aufzuklären und Missbrauch wirksam zu verhindern.

Wie schon beim ersten Zwischenbericht der UAK (pdf)  werde ich den Verantwortlichen im Bistum auch diese Studie zur Befassung vorlegen. Wir werden uns auch in den diözesanen Gremien damit beschäftigen.

In ihrem Ergebnis verstärkt die Studie die Hinweise, die die UAK in ihrem ersten Zwischenbericht gegeben hat. Auf drei Dinge möchte ich eigens hinweisen:

  • Das betrifft zum einen die Frage der wirksamen Aufsicht von Tätern. Diese Aufsicht wird bisher regulär vom Priesterreferat in seiner Verantwortung für disziplinarische Fragen wahrgenommen. Um aber noch strukturierter und transparenter in diesem Bereich vorzugehen, tritt zum 1. Januar 2023 eine neuformulierte „Ordnung über die Führungsaufsicht für Kleriker, denen die Ausübung der mit ihrer Weihe verbundenen Befugnisse untersagt ist, oder die unter Auflagen ihre priesterlichen Dienste verrichten“ in Kraft.
  • Der Zwischenbericht hat auch das Anliegen der seelsorglichen Begleitung von Betroffenen sowie die Schaffung einer möglichen Ombudsstelle zur unabhängigen und längerfristigen Begleitung von Betroffenen benannt. Zu einer genaueren Abstimmung dieser Anregungen in Verbindung mit den bereits existierenden Stellen hat der Leiter der Abteilung „Beratung und Prävention“ des Bischöflichen Generalvikariats, Dr. Andreas Zimmer, in meinem Auftrag eine Arbeitsgruppe einberufen, die im kommenden Jahr einen Umsetzungsvorschlag vorlegen wird.
  • Natürlich erwächst aus den beiden vorliegenden Berichten auch der Auftrag, unsere aktuellen Schutzkonzepte für Prävention und Intervention aufgrund der Ergebnisse zu prüfen und gegebenenfalls weiterzuentwickeln.

In der Öffentlichkeit und bei den politisch Verantwortlichen der Stadt Trier wird seit längerem über Ehrenwürden diskutiert, die die Stadt Bischof Stein hat zukommen lassen. Die nun vorliegende Studie liefert wichtige Hintergrundinformationen zur laufenden Debatte über die politische und moralische Bewertung von Bischof Stein. Wie auch immer die Entscheidung des Stadtrats dazu ausfallen wird, werden wir bistumsseitig diese selbstverständlich akzeptieren. Unabhängig davon könnte ich mir vorstellen, den Bischof-Stein-Platz als Ort zu nutzen, an dem an die Betroffenen sexualisierter Gewalt im Bistum Trier erinnert wird. Die Frage einer angemessenen Erinnerungskultur ist schon seit einigen Jahren Thema unter den verschiedenen Beteiligten.


Trier, 16. Dezember 2022

Dr. Stephan Ackermann
Bischof von Trier

Weiteres:

Stellungnahme Bischof Ackermann zum Zwischenbericht Amtszeit Bischof Stein

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