Liebe Schwestern und Brüder im Bistum Trier!
Mit dem ersten Adventssonntag hat diesmal nicht nur ein neues Kirchenjahr begonnen, sondern auch das besondere „Jahr der Orden“, das Papst Franziskus ausgerufen hat. Es soll bis zum „Lichtmesstag“ am 2. Februar 2016 dauern. In meinem diesjährigen Fastenhirtenbrief möchte ich darum Ihren Blick auf diesen Bereich des kirchlichen Lebens in unserem Bistum lenken. Denn ohne die Ordensgemeinschaften wären wir um vieles ärmer! Die Ordensleute sind ja nicht nur innerhalb ihrer Gemeinschaften tätig. An vielen Stellen bringen sie ihre besonderen Begabungen ein in der Seelsorge, durch Schulen und in zahlreichen caritativen Einrichtungen. Auch unter den Synodalen finden sich 20 Ordensfrauen und Ordensmänner.
Wussten Sie eigentlich, dass man das Ordensleben bis in die Frühzeit der Geschichte unseres Bistums hinein zurückverfolgen kann? Wahrscheinlich finden sich in Trier sogar die ersten Mönche auf deutschem Boden. Kein geringerer als der große Bischof und Kirchenlehrer Augustinus berichtet im achten Buch seiner Bekenntnisse (VI.14f) von einem Gespräch mit einem Landsmann namens Ponticianus. Der hatte eine Stelle am kaiserlichen Hof in Trier und konnte ihm Folgendes erzählen: Während der Kaiser sich an einem Nachmittag bei den Zirkusspielen aufhielt, sei er mit drei Kameraden in den Gärten an den Stadtmauern spazieren gegangen. Dabei seien sie auf Mönche gestoßen, die nach dem Vorbild des ägyptischen Wüstenvaters Antonius ein ganz einfaches Leben geführt hätten. Zwei der Begleiter seien von dieser alternativen Lebensform so fasziniert gewesen, dass sie spontan ihren Dienst am Hofe quittiert hätten, um sich diesen Mönchen anzuschließen. Und Augustinus gesteht, dass diese Erzählung entscheidend zu seiner eigenen Bekehrung beigetragen hat. Vermutlich hat sich die Begegnung mit den Trierer Mönchen um das Jahr 370 ereignet. Damals gab es also schon mönchisches Leben in unserem Bistum!
Zur Zeit leben im Bistum Trier rund 2.000 Männer und Frauen in 80 Orden und religiösen Gemeinschaften. Sieben dieser Ordensgemeinschaften sind sogar in unserem Bistum gegründet worden. Zwei der Ordensgründer dürfen wir als Selige verehren: Peter Friedhofen, den Gründer der Barmherzigen Brüder von Trier, und Mutter Rosa Flesch, die Gründerin der Waldbreitbacher Franziskanerinnen. Zu den jüngsten Gemeinschaften, die in unserem Bistum ihren Anfang nahmen, gehört die Schönstattbewegung. Sie konnte im vergangenen Jahr ihr 100-jähriges Gründungsjubiläum feierlich begehen. Und schon seit längerem wird die Ordenslandschaft in unserem Bistum bereichert durch Gemeinschaften, deren Mitglieder aus Indien und Afrika kommen. Ich denke hier dankbar vor allem an die Schwestern, die in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen tätig sind. (Ordensleben & Jahr der Orden im Bistum Trier hier online)
Liebe Schwestern und Brüder! In den offiziellen päpstlichen Dokumenten wird das Ordensjahr als „Jahr des geweihten Lebens“ bezeichnet. Unter „geweihtem Leben“ versteht man alle diejenigen Christen, die sich durch besondere Gelübde ganz Gott unterstellen, indem sie in der Nachfolge Jesu ein Leben in Armut, Jungfräulichkeit und Gehorsam führen wollen. Das unterscheidet sie von den anderen Gläubigen. Aber nicht nur die Ordenschristen, sondern alle Christen sollen auf der Basis ihrer Taufe ihr Leben Gott weihen, was ja nichts anderes heißt, als sich mit seinem ganzen Leben Gott anzuvertrauen. Ordensleute haben also weder ein Exklusivrecht auf ein gottgeweihtes Leben, noch sind sie allein dazu gerufen, ihr Leben ganz auf Gott auszurichten. Denn, noch einmal: Mein Leben Gott zu weihen, heißt: Ich bin bereit, nicht nur am Sonntag und in den frommen Zeiten meines Lebens dem Evangelium zu folgen, sondern zu allen Zeiten. Mein Leben Gott zu weihen, das heißt konkret: Ich öffne Gott alle Bereiche meines Lebens oder noch persönlicher formuliert: Ich lasse Jesus überall dabei sein: In meiner Arbeit und in meiner Freizeit, in den schönen und in den schweren Stunden, in den wichtigen Entscheidungen, die ich zu treffen habe, und in den Beziehungen, in denen ich lebe. Ich gebe ihm sozusagen in allem Mitspracherecht.
Jeder, der schon ehrlichen Herzens versucht hat danach zu handeln, weiß, dass dies leichter gesagt als getan ist. Zu viel scheint dagegen zu sprechen. Das Evangelium des 1. Fastensonntags (Mk 1,12-15) erinnert uns daran, dass sogar Jesus selbst mit der Versuchung zu kämpfen hatte, Gott, seinen Vater, aus bestimmten Bereichen seines Lebens ausklammern zu sollen. Er hat aber den Einflüsterungen des Satans widerstanden. Wir sind meistens nicht so konsequent. Denn das Evangelium erscheint uns oft als zu idealistisch und zu unkonkret für unsere Welt.
Umso wichtiger ist es, dass es in der Kirche Menschen gibt, die zeigen: Es geht doch. Man kann wirklich ganz nach der Logik des Evangeliums leben. Es ist die Logik der Hingabe, der Geschwisterlichkeit, der gegenseitigen Annahme auch in der Verschiedenheit. Das Evangelium gibt meinem Leben Richtung, macht es hell und froh. Dies nach der Regel und der Spiritualität ihrer jeweiligen Gemeinschaft allen anderen vorzuleben, ist der besondere Auftrag, den die Ordenschristen für die ganze Kirche haben. Was allen Gläubigen aufgetragen und gemeinsam ist, wird von einer bestimmten Gruppe in besonderer Weise gelebt, damit die anderen es nicht vergessen, sondern immer wieder erinnert werden. Diese Erinnerung brauchen wir. Deshalb ist es gut, dass es in der Kirche Menschen gibt, die in ganz ausdrücklicher Weise das leben, was Aufgabe aller ist. Darum machen die Ordenschristen uns allen Mut und fordern uns zugleich heraus. Denn nicht selten irritieren sie Menschen mit ihrer Lebensweise. Das gilt nicht bloß für Nichtchristen. Auch Gläubige fragen zum Beispiel: „Wie kann man mit so wenig so froh sein? Wie kann man bei so vielen Einschränkungen so frei sein? Wie kann man bei einer so weltabgeschiedenen Lebensform zugleich so lebenserfahren sein?“
Liebe Schwestern und Brüder, wenn die Begegnung mit Ordenschristen solche irritierenden Fragen auslöst, dann ist das gut! Dadurch werden wir nämlich auf die provozierende und zugleich befreiende Kraft des Evangeliums selbst gestoßen. Wir werden erinnert an Möglichkeiten des Glaubens, die wir noch nicht ergriffen haben und an die Herausforderungen des Evangeliums, hinter denen wir zurückgeblieben sind. Man könnte sagen, das Ordensleben hat eine prophetische Dimension. Es soll uns aufwecken, wo wir schläfrig sind oder wo wir uns hinter selbst zurechtgelegten Einwänden verstecken. Die Ordenschristen sind immer auch so etwas wie der Stachel im Leben der Kirche.
Dieser Stachel kann aber nur seine stimulierende Wirkung für die Kirche entfalten, wenn es im Volk Gottes eine echte Sympathie und Zustimmung für diese Form des christlichen Lebens gibt. Manchmal habe ich den Eindruck, dass zwar die Klöster, die vielen Einrichtungen und Aktivitäten der Ordensgemeinschaften in unserem Bistum durchaus geschätzt werden. Doch die Lebensweise wird mit einer gehörigen Portion Skepsis betrachtet, nach dem Motto: „Wir finden gut, dass es euch gibt, aber wir verstehen eigentlich nicht, wie und warum ihr so lebt.“ Deshalb kommt es nicht selten zu der eigenartigen Situation, dass Menschen gerne ein Kloster oder eine Ordensgemeinschaft unterstützen, aber sich kaum vorstellen können, dass jemand aus der eigenen Familie oder dem Bekanntenkreis sich einer solchen Gemeinschaft anschließt. Dass eine solche Atmosphäre die Berufungen zum Ordensleben erschwert, ist nicht verwunderlich. Natürlich müssen auch die Schwestern und Brüder in den Ordensgemeinschaften sich fragen, was sie dazu beitragen können, damit das Ordensleben neue Ausstrahlungskraft gewinnt.
Ich freue mich, wenn das Jahr der Orden bei uns allen eine neue Nachdenklichkeit und eine neue Kreativität erzeugt. Einige kleine konkrete Anregungen, die in dieser Richtung hilfreich sein könnten, möchte ich abschließend nennen:
Liebe Schwestern und Brüder, ich bin davon überzeugt, dass unser Bistum ohne die Ordensgemeinschaften einen wichtigen Teil seiner Lebenskraft verlieren würde. Gerade die Orden und religiösen Gemeinschaften waren in der Geschichte der Kirche immer auch Quellen der Besinnung und Erneuerung für das gesamte Volk Gottes. Deshalb wollen wir mit und für unsere Ordenschristen beten:
Barmherziger und treuer Gott,
wir danken Dir für so viele Ordensschwestern und ‑brüder und ihre Gemeinschaften, die unser Bistum durch ihren Glauben und ihr Leben bereichern. Mit ihrem Zeugnis erinnern sie uns daran, dass wir uns Dir ganz weihen sollen.
Alle Bereiche unseres Lebens sollen geprägt und verwandelt werden vom Sauerteig des Evangeliums. Nur dann können wir als Deine Kirche Salz der Erde und Licht der Welt sein.
Herr, Du kennst aber auch unsere Trägheit, unsere Angst und unseren Unwillen.
Deshalb hast Du Deinem Volk immer wieder prophetische Menschen geschickt, die es wach rütteln und an seinen göttlichen Auftrag erinnern.
Wir bitten Dich: Stärke die Schwestern und Brüder in den Ordensgemeinschaften in ihrer prophetischen Aufgabe, die sie für uns und für die Welt haben, und mache uns bereit, ihr Zeugnis anzunehmen, damit wir nicht nur Christen heißen, sondern es in Wahrheit sind.
Dazu segne Euch alle der dreifaltige Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist. Amen.
Ihr Bischof
† Stephan