Liebe Familienangehörige, liebe Mitbrüder im geistlichen Amt,
liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Dienst des Bistums,
liebe Schwestern und Brüder aus den Ordensgemeinschaften,
liebe Weggefährtinnen und Weggefährten von Weihbischof Schwarz,
liebe Schwestern und Brüder im Glauben!
Mit dem Tod von Leo Schwarz ist ein in vielfacher Hinsicht bewegtes und bewegendes Leben zu Ende gegangen. Bewegt war das Leben von Weihbischof Schwarz schon im rein äußeren Sinn. Denken wir nur an die Abertausende von Kilometern, die er mit dem Wagen oder dem Flugzeug in den verschiedenen Missionen seines Lebens zurückgelegt hat. Bewegt und bewegend waren auch die Jahrzehnte, in denen sich sein priesterliches und bischöfliches Wirken entfaltet hat: Die Konzils- und Nachkonzilszeit, der Fall des Eisernen Vorhangs mit der Wiedervereinigung Deutschlands und einem Zusammenwachsen Europas, das gerade am Anfang große Hoffnungen weckte, während man aktuell den Eindruck hat, dass wir ganz neu zueinander finden müssen. Bewegend war das Leben von Weihbischof Schwarz auch deshalb, weil er selbst das Leben vieler Menschen in Bewegung gebracht hat. Leo Schwarz zu begegnen, gar mit ihm zusammenzuarbeiten, das war ein Ereignis! Das haben mir Menschen in den letzten Tagen noch einmal bestätigt, und wahrscheinlich kann jeder und jede von uns dazu mehr als eine Geschichte erzählen …
Woran lag es eigentlich, dass die Begegnungen mit Leo Schwarz auf das Gegenüber einen solch starken Eindruck machten? Zunächst lag es sicher an der Unmittelbarkeit und der positiven Neugier, mit der Weihbischof Leo auf Menschen zuging. Aber da war noch mehr: Leo Schwarz hat die Menschen in seinem Umkreis – ganz gleich, ob einfache oder Würdenträger, ob Firmlinge oder Senioren … – mit der Größe des Lebens in Berührung gebracht, indem er von der Würde des Lebens sprach und dem Großen, zu dem Menschen fähig sind. Dabei hat er die Dunkelheiten und Wunden des Lebens nie verschwiegen.
Die Größe des menschlichen Lebens sah Weihbischof Schwarz immer zusammen mit der Größe der biblischen Botschaft. Anders war das für ihn nicht denkbar. Deshalb passt zum Tag seines Begräbnisses auch die heutige, adventliche Lesung des Propheten Jesaja: Sie verheißt die neue Welt Gottes, in der endlich Gerechtigkeit und Friede herrschen, nicht nur zwischen den Menschen, sondern ausgegossen auf die ganze Schöpfung. Aus dieser großen Vision heraus hat Leo Schwarz gelebt. Für diese Vision hat er als Mensch, als Priester und als Bischof gearbeitet.
Bei seiner Visionsarbeit kam ihm zu Hilfe, dass er ein begnadeter Erzähler war und die Menschen mit seinen Erzählungen zu fesseln wusste. Und er hatte aufgrund seiner vielen Erfahrungen auf fast allen Kontinenten dieser Erde wirklich etwas zu erzählen, von Heiligen ebenso gut wie von korrupten Machthabern. Leo Schwarz zuzuhören, das hieß, die eigene kleine Welt weiten zu lassen hin auf den großen Horizont des Lebens und des Glaubens.
Aber Leo Schwarz hatte nicht nur einen Sinn für das Große, im Gegenteil: Besonders wichtig und lieb waren ihm die einfachen Menschen und die Kleinen. In der Schule der einfachen Campesinos in Bolivien hat Weihbischof Leo diesen Blick gelernt. Lange bevor Papst Franziskus der ganzen Kirche eine verstärkte Aufmerksamkeit für die Armen verordnet hat, hat Weihbischof Leo uns immer schon gemahnt: Vergesst die Armen nicht! Damit meinte er nicht nur die Armen im materiellen Sinn (wenn auch sie zuerst). Er meinte damit alle diejenigen, die nicht in der ersten Reihe des Lebens stehen: Menschen, die benachteiligt sind, Kranke, Menschen mit Behinderung, alte Menschen, aber immer wieder auch die Kinder. Für ihn gehörten sie in die erste Reihe. Immer wieder hat er sie – nicht selten zu deren eigener Überraschung – ganz vorne hin geholt, um sie auf Augenhöhe teilhaben zu lassen, an dem, was sich abspielte.
Er konnte dies, weil er ein aufmerksamer Beobachter war, der eben nicht nur einen Sinn für Größe hatte, sondern auch ein waches Gespür für das scheinbar Nebensächliche, für die Zwischentöne. Da war Leo Schwarz nicht der wortgewaltige Prediger mit lauter Stimme, sondern der gute Zuhörer, sensibel und einfühlsam für das, was Menschen im Innersten bewegt. Kein Wunder, dass er deshalb oft als Vermittler in Konflikten unterwegs war. Jemand hat einmal gesagt: Für mich ist Weihbischof Leo Schwarz vor allem ein „Übersetzer“. Eine schöne Charakterisierung: Denn wie oft hat Leo Schwarz aufgrund seiner vielfachen Sprachkenntnisse übersetzt! Aber er war eben ein Übersetzer nicht nur im wörtlichen, sondern auch im übertragenen Sinn. Er war ein Übersetzer zwischen zerstrittenen Parteien, zwischen Kulturen und Welten, zwischen Süd und Nord, zwischen Ost und West.
Als solcher war er sein Leben lang unterwegs, hat sich selbst in den letzten Jahren bezeichnet als „Pendler zwischen den Welten“. Dabei klingt Pendler eigentlich zu gemächlich für die Energie und Rastlosigkeit, mit der Weihbischof Leo bis ins hohe Alter unterwegs war. Sein Unterwegssein hatte etwas von der Existenz der Wanderapostel, die Jesus aussendet mit möglichst leichtem Gepäck: Keinen Geldbeutel, keine Vorratstasche, keine Schuhe (als „Barfußmenschen“ …), keine langatmigen Gespräche unterwegs …
Aber dem Verstorbenen war sehr klar, dass es bei allem eigenen Einsatz am Ende auf das ankommt, was wir aus eigener Kraft nicht zu geben vermögen, was nur Gott selbst geben kann: Deshalb hatte Leo Schwarz auch eine so große Hochschätzung für die Sakramente. Auf ihre Kraft hat er vertraut. Er hat keine Gelegenheit ausgelassen, sie möglichst vielen Menschen zu spenden und zu erschließen: Das Sakrament der Firmung für die unzähligen Jugendlichen in unserem Bistum; das Sakrament der Beichte, das er vor allem in den letzten Jahren bei seinem erneuten Einsatz in Bolivien viele Male gespendet hat, um Menschen die befreiende und heilende Nähe Gottes zuzusprechen, die er auch immer wieder für sich selbst erbeten hat. Da war er im Blick auf sich selbst sehr nüchtern. Und wie sehr hat er immer wieder auf die Kraft des Segens vertraut! Wie viele Menschen hat er in seinem priesterlichen und bischöflichen Leben gesegnet! Und wie schön wäre es gewesen, wenn er den Dienst der schlichten Präsenz und des Segnens in unserer Trierer Gangolfskirche beim Grab des von ihm so verehrten Hieronymus Jaegen noch länger hätte ausüben können. Es war ihm leider nur für wenige Wochen gegönnt.
Vor allem aber hat Leo Schwarz gelebt aus dem Sakrament der Eucharistie. Nicht umsonst findet sich der Begriff der Communio, der Gemeinschaft in Christus, als drittes Leitwort in seinem bischöflichen Wahlspruch.
Noch auf dem Sterbebett hat er die existenzielle Bedeutung der Sakramente für sein eigenes Leben bekannt. Die letzten handschriftlichen Notizen, die Weihbischof Schwarz drei Tage vor seinem Tod auf seine Notiz-Kladde geschrieben hat, lauten: „Krankensalbung – Hoffnung in der Hoffnungslosigkeit. Da erscheinen die Begleiter, die Gefährtinnen und Gefährten aus den Gefahren. […] Gewaltige Truppe. Herankommen und dann verlieren. Namenssuche. Verzeiht. – Kommunion, gebrochen und geteilt.“
Lieber Bruder Leo, wir wünschen Dir, dass Du nun die vollendete Communio des Himmels erfahren darfst, in der keine Namen mehr gesucht werden müssen, sondern in der sich alle kennen und gekannt wissen. Und wir beten für Dich, dass Du, rastloser Apostel des Evangeliums, auf der Wanderschaft Deines Lebens nun das Haus gefunden hast, wo nicht nur irgendein „Mann des Friedens“ wohnt und Dir die Tür öffnet, sondern der Herr des Friedens selbst: Jesus Christus. Amen.