Damit Sie unsere Internetseite optimal nutzen können, setzen wir nur technisch notwendige Cookies (kleine Textdateien, die auf Ihrem Rechner abgelegt werden). Zur Reichweitenmessung der Seiten nutzen wir eine anonymisierte Statistik, die keine personenbezogenen Rückschlüsse auf Sie zulässt. Näheres finden Sie in unserer Datenschutzerklärung. Datenschutzerklärung

Beratungsprozess mit synodalem Charakter

Bei seiner Predigt am Fest des heiligen Carl Borromäus 2011 in der Seminarkirche des Priesterseminars Trier spricht Bischof Stephan Ackermann auch über die Zeit nach der Wallfahrt 2012

 Schriftlesungen: Röm 12,3-13 / Mk 3,13-19

Liebe Seminargemeinschaft,
liebe Lehrende und Studierende unserer Theologischen Fakultät,
liebe Festgäste und Freunde,
Schwestern und Brüder im Glauben!

Vor fast genau 2 Monaten fand unser diesjähriger Priestertag statt. Am Nachmittag habe ich hier im Seminar ein Resümee der Themen, Fragen und Beobachtungen vorgetragen, die mir in den letzten 2 Jahren während der sogenannten Priestergespräche in den Dekanaten unseres Bistums begegnet sind. Unter dem Titel »Auftrag und Gemeinschaft« habe ich meine Überlegungen auch schriftlich gefasst. Nun steht die weitere Diskussion darüber und die Weiterarbeit an. Dabei geht es ganz grundlegend und vor allem darum, die Freude am priesterlichen Dienst zu stärken oder – wo nötig – wiederzugewinnen und Perspektiven für morgen zu entwickeln.

Erwartet: Hilfen für den priesterlichen Dienst - und für die ehrenamtlichen Mitarbeiter

Von vorneherein war klar, dass es bestimmte Bereiche des priesterlichen Dienstes gibt, für die konkrete Hilfen erwartet werden: etwa im Umgang mit einem zu groß gewordenen Gebäudebestand einer Kirchengemeinde; für klare Absprachen und Aufgabenverteilungen der verbindlichen Zusammenarbeit zwischen den Priestern, ob sie nun als Pfarrer und Kooperator zusammenarbeiten oder als Priesterteam in solidum. Klar war auch, dass wir den Ehrenamtlichen, die in unseren Pfarreien und Pfarreiengemeinschaften Verantwortung tragen (und dies u. U. in Zukunft noch mehr tun müssen), die richtigen Unterstützungsmaßnahmen anbieten.

Mir ist im Laufe der Gespräche aber auch klar geworden, dass solche eher »technisch-operativen« Hilfen nicht wirklich die Gesamtsituation und –atmosphäre verändern und die gefühlte Belastung verringern, unter der viele Mitbrüder stehen. Die notwendige Veränderung auf dieser Ebene ist nämlich wesentlich ein innerer, geistiger Prozess. Er besteht für mich darin, dass wir unseren Auftrag als katholische Christen neu in den Blick bekommen, nicht nur als amtliche Tätige, sondern als Volk Gottes im Bistum Trier insgesamt. Schon mehrmals habe ich in diesem Zusammenhang einen unserer jungen Priester zitiert, der mir gegenüber geäußert hat: »Wenn der Bischof uns klarer sagt, was das Wesentliche unseres Dienstes als Priester ist, dann können wir leichter die Schwierigkeiten aushalten und auch die Tatsache, dass wir von den Leuten nicht in allem angenommen werden.« Psychologisch ist diese Bemerkung leicht nachzuvollziehen. Wir kennen es aus anderen Zusammenhängen. Denken wir nur daran, wenn eine Wohnung oder gar ein Haus renoviert wird: Wenn man weiß, worauf es am Ende hinausläuft und wie es einmal aussehen wird, dann kann man die Unannehmlichkeiten, die Einschränkungen und den Ärger ziemlich gut vertragen. Der Mitbruder hat also Recht: Zu wissen, was das eigentliche Wichtige ist und wohin der Weg geht, das motiviert und setzt Kräfte frei.

Klare "Ansage" des Bischofs - oder gemeinsame Suchbewegung?

So einleuchtend und verlockend für einen Bischof aber die Aufforderung ist, klar zu sagen, worauf es ankommt und wo es langgehen soll, so zwiespältig ist sie gleichzeitig. Denn in der Regel haben die, die so sprechen, selbst eine ziemlich klare Vorstellung von dem, was das Eigentliche ist. Glücklich der Bischof, der die Vorstellung seines Gegenübers trifft ... Doch im Ernst: Uns allen ist klar, dass der Bischof nicht allein von sich aus einen bestimmten pastoralen Weg dekretieren kann. Ein solcher Weg muss gemeinsam gefunden werden; nicht nur, um eine möglichst große Akzeptanz zu erzielen, sondern auch um von Anfang an die unterschiedlichen Perspektiven einzubeziehen. Mit dem eben gehörten Abschnitt aus dem Römerbrief des Paulus könnten wir sagen: Es ist notwendig, die unterschiedlichen Gnadengaben im Leib Christi zum Zug kommen zu lassen. Was wäre der Kopf ohne die Glieder und die verschiedenen Organe mit ihren je eigenen Wahrnehmungen? (vgl. Röm 12,3ff) Das ist der Grund dafür, warum ich für die Zeit nach der Heilig-Rock-Wallfahrt die Idee eines breit angelegten Beratungsprozesses mit synodalem Charakter ins Spiel gebracht habe.

Beratungs-Prozess mit synodalem Charakter - wie zu Borromäus' Zeiten

In dieser Idee fühle ich mich übrigens durch keinen Geringeren als den heutigen Tagesheiligen und Patron unseres Seminars, Karl Borromäus, sehr bestärkt. Nach Einschätzung des renommierten Kirchenhistorikers Giuseppe Alberigo resultieren die Reformerfolge Karls als Mailänder Bischof vor allem aus zwei Elementen: Erstens auf der Verkündigung, d. h. den Predigten, die er selbst hielt, was nicht nur für einen Bischof, sondern auch die Mehrzahl der Kleriker in der damaligen Zeit völlig ungewöhnlich war (Die Bischöfe beschränkten sich höchstens darauf, bei einer großen Feier anwesend zu sein und einem Prediger - oft ein Ordensmann - zuzuhören ...). Das zweite Element sind die synodalen Aktivitäten, die Karl Borromäus in seiner Diözese und darüber hinaus in der Mailänder Kirchenprovinz entfaltet hat. Natürlich ging es dabei um die Umsetzung der Beschlüsse des Trienter Konzils, ging es darum, die Reformgrundsätze von Trient in die Situation der Diözese hinein zu konkretisieren. Doch offensichtlich wählte Karl nicht den Weg bloßer Dekrete ohne vorherige Konsultationen. Wahrscheinlich ist diese Tatsache in ihrer innovatorischen Kraft gar nicht hoch genug einzuschätzen in einer Zeit, die ungleich hierarchischer, ja überhaupt monarchischer dachte als wir. Wenn man der Einschätzung von Alberigo glauben darf, hat Karl Borromäus die Synoden wirklich genutzt als Gelegenheit, um mit seinem Klerus in den Austausch zu treten und sich sogar gegenseitig brüderlich zu korrigieren.

Synodale Prozesse, ja Gesprächsprozesse überhaupt, haben keinen Sinn, wenn sie – ohne gegenseitige Hörbereitschaft - nur dazu dienen, die eigene Position vorzutragen. Aufgestellte Lautsprecher, die sich gegenseitig beschallen, ergeben bekanntlich noch keine Konferenz.

Unterwegs zu den anderen

Letztlich hat natürlich jeder synodale Weg in der Kirche Maß zu nehmen an dem synodalen Weg Jesu mit den Zwölf, an ihrem Mitgehen mit ihm. Das Evangelium, das wir gehört haben, hat den Grundrhythmus dieses Gehens beschrieben: In unnachahmlicher Prägnanz und Kürze berichtet Markus von der Berufung der Zwölf, indem er (wörtlich übersetzt) sagt: Er, Jesus, machte Zwölf, »erschafft« sie gewissermaßen (»epoiesen«), »damit sie mit ihm seien und damit er sie sende«. Was paradox klingt, ist der Urrhytmus der Nachfolge: Bei Jesus sein, um dann von ihm aus als Gesandte aufzubrechen zu den Menschen. Papst Benedikt XVI. hat in Freiburg die Seminaristen an diese Urbewegung der Jünger erinnert und darauf hingewiesen, dass derjenige, der wirklich bei Jesus ist, nicht anders kann, als immer schon aufzubrechen zu den anderen hin (24.09.2011).

Und ich füge hinzu: Das ist kein einmaliger Akt. Bei Jesus sein, um auf ihn zu hören, von ihm zu lernen, sich von ihm formen zu lassen, und dann aufzubrechen in die Welt. Richtig verstanden ist das eine sich ständig wiederholende Bewegung, ist - so könnte man sagen - der Herzschlag der Kirche. Zu ihm gehört beides: Jesus nahe zu sein, um aufzubrechen zu den Menschen und in die Welt, und wieder bei ihm anzukommen, auszuruhen, zu berichten von dem, was sich ereignet hat, was ich erlebt habe und darin die Welt hinzutragen zu Jesus, um sie mit seiner heilenden Gegenwart in Berührung zu bringen.

Gespräche nach innen - und nach außen

Nur wenn unsere Gespräche in der Kirche und als Kirche von diesem Rhythmus geprägt sind, werden sie fruchtbar, sonst sind sie sinnlos. Bleiben unsere Gespräche bloß im Binnenraum, werden sie ihrem Auftrag nicht gerecht. Werden sie nicht mit Jesus, dem lebendigen Wort Gottes, in Berührung gebracht, gleichen sie sich der Welt an und verlieren sich über kurz oder lang.

Der heilige Karl Borromäus hat es bei aller Zeitgebundenheit, der er auch unterworfen war, offensichtlich vermocht, die rechte Balance zu finden zwischen der unerschütterlichen Rückbindung an den Auftrag Jesu einerseits und der Offenheit und Sensibilität für die Weltstunde, in die er gestellt war, andererseits. Bitten wir um seine Fürsprache, dass auch uns die nötige Klarheit, der nötige Mut und die nötige Sensibilität für unseren Auftrag in dieser Zeit gegeben sind. - Und mit uns meine ich nicht nur (rhetorisch) den Bischof, sondern tatsächlich uns alle. Amen.

Weiteres:

Beratungsprozess mit synodalem Charakter

in der Predigt