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Predigt von Bischof Dr. Stephan Ackermann in der Chrisammesse 2021

Siegel der Liebe

„Unsere Würde als Christen hat ihren Ursprung in der Situation, in der Jesus am schwächsten ist. Unsere Stärke stammt aus seiner Schwäche und Hingabe.“ Das hat Bischof Dr. Stephan Ackermann in seiner Predigt in der Chrisammesse am 31. März im Trierer Dom betont. In diesem Gottesdienst werden die Heiligen Öle geweiht, die für die Sakramente von Taufe, Firmung, Priesterweihe und Krankensalbung eingesetzt werden.

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Wir dokumentieren die Predigt im Wortlaut:

Liebe Schwestern und Brüder!

1. Es gibt kaum einen anderen Gottesdienst im Kirchenjahr, in dem so sehr das Selbstbewusstsein des Volkes Gottes zum Ausdruck kommt wie in der Chrisammesse. Immer wieder ist in den Texten der Liturgie die Rede von der Würde des Volkes Gottes, das mit königlicher, priesterlicher und prophetischer Vollmacht ausgestattet ist. Wir haben es eben schon in der Lesung aus dem letzten Buch der Heiligen Schrift gehört. Der Seher Johannes ruft den Gemeinden, an die er schreibt, zu: „Gnade sei mit Euch und Friede von Jesus Christus. Er hat uns zu einem Königreich gemacht hat und zu Priestern vor Gott, seinem Vater.“ (Offb 1,6)

Alle unter uns, die heute nicht zum ersten Mal an der Chrisammesse teilnehmen, sondern diesen Gottesdienst ohne die Einschränkungen der Corona-Pandemie kennen, wissen, dass das freudige Selbstbewusstsein nicht nur in den Texten und Gebeten behauptet wird, sondern durchaus eine Erfahrung ist, die in diesem Gottesdienst konkret spürbar wird, vor allem, wenn wir wieder alle mitsingen dürfen.

Freudiges Selbstbewusstein

2. Nun stehen die Zeichen – nicht nur wegen Corona – nicht gerade gut für ein frohes Selbstbewusstsein als Christin oder Christ, so empfinden es viele Kirchenmitglieder. Ist es nicht eher die Zeit, den Kopf einzuziehen und sich zu schämen …? Wer sich bewusst und öffentlich zum Glauben und zur (katholischen) Kirche bekennt, der sieht sich leicht dem Verdacht ausgesetzt, nicht mitzubekommen oder wahrhaben zu wollen, was eigentlich los ist. Ich brauche das hier nicht weiter zu illustrieren …

Schauen wir deshalb einmal genauer hin, wo dieses freudige Selbstbewusstsein, von dem in der Chrisammesse die Rede ist, seinen Ursprung hat.

Nicht Geleistetes, sondern Empfangenes

Der Ursprung des christlichen Selbstbewusstseins liegt nicht in einem Projekt, das sich Menschen ausgedacht oder zu dem Menschen sich zusammengetan hätten. Das Selbstbewusstsein liegt nach Auskunft der biblischen Lesungen auch nicht in einer Erfolgsgeschichte, auf die man über Jahrtausende mit Stolz zurückblicken könnte. Der Ursprung des Selbstbewusstseins liegt nicht in etwas Geleistetem, sondern in etwas Empfangenem: Würde und Selbstbewusstsein des Christseins haben ihren Ursprung in der Salbung, die die Getauften empfangen haben. Denn diese Salbung verbindet sie mit dem, der der Gesalbte schlechthin ist: Jesus Christus.

Durch die Salbung mit Christus verbunden

Natürlich ist es nicht verwunderlich, dass gerade in der Chrisammesse so ausdrücklich von der Salbung und von dem Gesalbten die Rede ist. Denn in diesem Gottesdienst werden die Öle geweiht, die zur Salbung bestimmt sind, damit zum einen noch mehr Menschen durch diese Salbung mit Christus verbunden werden und damit zum anderen diejenigen, die bereits mit ihm verbunden sind, in ihrer Verbindung zu ihm gefestigt werden:

  • Das gilt für die vielen Jugendlichen, die das Sakrament der Firmung empfangen.
  • Das gilt für diejenigen, die bei der Weihe für ihren besonderen Auftrag gestärkt werden.
  • Das gilt aber auch für diejenigen, die Jesu Nähe besonders brauchen, weil sie krank sind.

Jesus schenkt den Menschen alles, was er hat

3. Liebe Schwestern und Brüder, der Ursprung des christlichen Selbstbewusstseins liegt in der Salbung, die wir empfangen haben. Schauen wir aber auch noch darauf, wo der Ursprung der Salbungen selbst liegt: Nach urkirchlichem Verständnis haben die Salbungen wie alle Sakramente ihren Ursprung am Kreuz. Die Liturgie sagt: Aus dem durchbohrten Herzen Jesu entspringen die Sakramente der Kirche (Präfation vom Herz Jesu-Fest). Und schon der Evangelist und Visionär Johannes sagt mit einem alten Prophetenwort, dass alle Augen sich auf den richten, „den sie durchbohrt haben“. (Offb 1,7/ Sach 12,10) Wir haben es in der zweiten Lesung gehört.

Rein äußerlich gesehen geht es beim Lanzenstich in die Seite Jesu schlicht darum, den Tod des Delinquenten sicher festzustellen. Aber für die gläubige Gemeinde war dieser technische Vorgang, von dem der Evangelist Johannes berichtet (19,34), von Anfang an mehr: Er ist der letzte, sinnenfälligste Ausdruck dafür, dass Jesus den Menschen alles schenkt, was er hat. Er schenkt uns sein Herz nicht nur im übertragenen Sinn, sondern auch in diesem blutig-wörtlichen Sinn. Und diese Hingabe ist, davon sind wir überzeugt, eingegangen in die Feier der Sakramente. In den Sakramenten bleibt Jesu Liebe fortwährend erfahrbar und wirksam.

Das heißt zugleich: All das, was unsere Würde als Christen begründet, was uns stärkt und uns im Glauben Selbstbewusstsein gibt, das hat seinen Ursprung in der Situation, in der Jesus am schwächsten ist; also in dem Augenblick, als er in den Augen der Welt gescheitert ist, nur noch als Objekt von Spott und Verachtung dient.

Selbstbewusstsein auf Kosten anderer ist fehlgeleitet

4. In diese Lage kam er nicht etwa, weil ihn die Kraft des Vaters verlassen hätte, sondern weil diejenigen, für die er gekommen war, ihn und seine Botschaft verraten und verkauft haben: Die Glieder des heiligen Volkes Israel, das Gottes Hoffnungszeichen unter den Völkern sein sollte und nicht weniger der Kreis seiner engsten Freunde und Vertrauten. So wird er, der Unschuldige, zum Gespött. Die Schande, die eigentlich die anderen treffen müsste, übernimmt Jesus. Das ist das Wunder seiner Liebe. Aus Schande wird Gnade. Seine Schande wird zum Fundament für die Würde der Christen! Der Spott, den er erträgt, wird zum Ursprung des christlichen Selbstbewusstseins.

Damit ist aber auch klar, dass christliches Selbstbewusstsein nie aus eigener Kraft entspringt; dass christliches Selbstbewusstsein fehlgeleitet ist, wenn es sich großmacht auf Kosten von anderen; dass christliches Selbstbewusstsein nicht daraus lebt, die eigenen Fehler und Schwächen möglichst geschickt zu übertünchen.

Im Gegenteil: Im Blick auf Christus, den Gekreuzigten, dessen Wunden vor aller Welt sichtbar sind und bleiben, müssten wir eigentlich diejenigen sein, die mehr als alle anderen den Mut haben (können), zu unseren eigenen Fehlern und Schwächen zu stehen, weil Jesus sie vorweg angenommen, ja mehr noch übernommen hat. Er hat dies nicht getan, um Versagen und Schuld zu verharmlosen. Er hat es getan, damit aus Versagen und Schuld neues Leben möglich wird.

Zeichen für Wahrhaftigkeit, Empfindsamkeit und Heilung

5. Die Öle, die wir heute weihen, sind also im Tiefsten Frucht des Leidens Jesu, das wir in diesen Tagen feiern. Deshalb sind sie keine billigen Kosmetika, mit denen man Unreinheiten und Fehlstellen überdecken könnte. Sie sind auch keine Öle, die dazu gedacht sind, eine glorreiche Vergangenheit zu konservieren und einzubalsamieren. Jesus selbst hat sich der Einbalsamierung entzogen, als er am dritten Tag aus dem Grab auferstanden ist. Aber er scheut sich auch nicht, die Wunden, die ihm geschlagen wurden, zu behalten und zu zeigen. Denn diese Wunden sind der Anfang des neuen Lebens. Sie sind die Siegel seiner Liebe.

Aus diesem Verständnis heraus weihen wir in der Chrisammesse die Öle. Wir wollen sie in unseren Gottesdiensten so verwenden, dass sie sprechende Zeichen sind für die Würde und das Selbstbewusstsein der Christen, ebenso wie für Wahrhaftigkeit und Empfindsamkeit und für Heilung in der Kraft des Auferstandenen.

Amen.

Weiteres:

Chrisammesse 2021

in der Predigt