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Das Kunststück: ein Fest veranstalten und Menschen finden, die sich an ihm freuen

Predigt von Bischof Stephan Ackermann im Pontifikalamt zum Heilig-Rock-Fest 2011 und zur Eröffnung des Jahres der geistlichen Vorbereitung

Schriftlesungen: Apg 3,11-18/ Eph 4,1-7.11-13/ Joh 19,23f

Liebe Mitbrüder im geistlichen Amt, liebe Pilgerinnen und Pilger,
Helferinnen und Helfer, Schwestern und Brüder im Glauben!

Unser festlicher Gottesdienst am diesjährigen Heilig-Rock-Fest markiert zugleich den Beginn des Vorbereitungsjahres auf die große Wallfahrt im kommenden Jahr. Aber was ist mit diesem Beginn eigentlich gemeint? Wir haben doch schon längst begonnen, rückwärts zu zählen; im Grunde seit dem Augenblick, in dem mein Vorgänger, Bischof Reinhard Marx, die bevorstehende Wallfahrt angekündigt hat. Das war am Ende der Heilig-Rock-Tage 2007. Die inhaltliche und organisatorische Vorbereitung ist voll im Gange, und ich danke heute schon Wallfahrtsleiter Msgr. Georg Bätzing und all denen, die in seinem Team und in den vielen Arbeitsgruppen bereits in den zurückliegenden Monaten und Jahren mit großem Engagement die Wallfahrt vorbereiten. Froh und dankbar bin ich auch für das große Interesse und die Bereitschaft zur Beteiligung von Kooperationspartnern über den katholischen und den kirchlichen Raum hinaus.

Kirche sein und Freude am Glauben gewinnen

Worin liegt nun das Eigentliche des Vorbereitungsjahres, das wir heute beginnen?

  • Natürlich soll während dieses Jahres verstärkt auf das Ereignis der Wallfahrt überhaupt aufmerksam gemacht und dafür geworben werden.
  • Natürlich wird es in den nächsten Monaten auch darum gehen, genügend Helferinnen und Helfer für die Wallfahrt zu gewinnen, damit wir gute Gastgeber sein können.
  • Natürlich soll das Vorbereitungsjahr dazu beitragen, die Wallfahrt noch fester im »inneren« Kalender aller Haupt- und Ehrenamtlichen und unserer Gemeinden für das nächste Jahr zu verankern.
  • Natürlich geht es in den kommenden Monaten auch schlicht darum, die Vorfreude auf die Zeit zwischen dem 13. April und dem 13. Mai 2012 in uns wachsen zu lassen. Denn Friedrich Nietzsche hat vollkommen Recht, wenn er sagt: »Nicht das ist das Kunststück, ein Fest zu veranstalten, sondern solche zu finden, welche sich an ihm freuen.«

Wenn wir das, was der Philosoph sagt, nicht nur auf das Fest der Wallfahrt beziehen, sondern auf den Glauben und die Kirche insgesamt, dann könnte der Satz – leicht abgewandelt – auch lauten: »Nicht das ist das Kunststück, Kirche zu sein, sondern solche zu finden, die sich an ihr freuen.« Wie wahr, mögen wir denken, und zugleich spüren wir, welch bitteren Beigeschmack diese Wahrheit enthält. Das Vorbereitungsjahr will uns helfen, neue Freude am Glauben zu gewinnen.

Wallfahrt feiern wach und mit offenen Augen

Dennoch, liebe Schwestern und Brüder, wollen wir die Wallfahrt im nächsten Jahr nicht im Sinne eines naiven Jubelfestes begehen, das uns für vier Wochen die beanspruchenden Realitäten von Welt, Gesellschaft und Kirche vergessen machen will. Wir wollen Wallfahrt feiern mit offenen Augen und wachen Sinnen. Wir wollen uns nicht sprituell betäuben. Die Kirche in unserem Land, aber auch in unserem Bistum steht in großen Herausforderungen, die – wenn sie sich verschärfen - zum Teil zu regelrechten Zerreißproben werden können. Die Gestalt der überkommenen kirchlichen Strukturen und Lebensräume ist in einem rasanten Wandel begriffen. Von Tag zu Tag wird spürbarer, was wir im Kopf schon lange wussten und sensible Zeitgenossen uns immer wieder prophezeit haben: Glaube in unserem Land ist nicht mehr »Schicksal«, sondern »Wahl« (P. M. Zulehner). Menschen, ja bereits Getaufte, entscheiden selbst, ob sie weiter zur Kirche gehören wollen, ob der christliche Glaube heute und in Zukunft ein wesentlicher Bestandteil ihres Lebens ist oder nicht.

Gegenseitige Vergewisserung

Weil das so ist, brauchen wir den Austausch und die gegenseitige Selbstvergewisserung. Christ kann man nicht allein sein. Deshalb ist die Gesprächsinitiative, die wir Bischöfe auf nationaler Ebene angestoßen haben, auch nicht nur eine Reaktion auf die Erschütterung durch den Missbrauchsskandal. Es geht um mehr: Es geht um das Selbstverständnis der Kirche und – tiefer noch – um die Bedeutung des Glaubens für unser Leben.

Der Weg nach Emmaus: Urbild des Erlösungsweges

In diesem Horizont sehe ich das geistliche Vorbereitungsjahr auf die Heilig-Rock-Wallfahrt 2012. Ich weiß mich da Seite an Seite mit denen, die in der inhaltlichen Vorbereitung der Wallfahrt engagiert sind. Sie empfehlen uns, den Weg des Vorbereitungsjahres abzulesen an dem Weg, der der Urweg christlicher Pilgerschaft ist und zugleich ein ganz und gar österlicher Weg. Es ist der Weg der beiden Jünger von Jerusalem nach Emmaus. Wenn man die Erzählung des Evangelisten Lukas aufmerksam liest (Lk 24,13-35), entdeckt man, dass der Weg der Jünger durch fünf wesentliche Elemente gegliedert wird: (1.) Die beiden Jünger brechen auf und tauschen sich über all das aus, was sich ereignet hat. Mit anderen Worten: Sie zeigen sich aufmerksam für ihr eigenes Leben und ihr Dasein. (2.) Doch dieses Leben ist in ihrer aktuellen Situation nicht unbeschwert. Der Emmausweg ist kein Sonntagsspaziergang. Dafür ist das, was sie erlebt haben, zu schwer: Mit der Kreuzigung ihres Herrn wurden all ihre Lebenshoffnungen durchkreuzt. Sie sind enttäuscht, fühlen sich ohnmächtig. (3.) Dann gesellt sich – unerkannt – Jesus zu ihnen. Er interessiert sich für sie, hört ihnen zu und spricht ihnen von der Hl. Schrift her neuen Mut zu. (4.) Als sie schließlich mit ihm zu Tisch sind und das Brot brechen, erkennen sie ihren Herrn und Meister. Er ist nicht tot, sondern er lebt. Das weckt auch in ihnen eine ganz neue Lebendigkeit. (5.) So schöpfen sie neue Hoffnung, die ihnen die Kraft gibt, wieder nach Jerusalem aufzubrechen.

Jesus die Chance lassen, sich in unsere Welt einzuschleusen

Liebe Schwestern und Brüder, der Emmausweg ist das Grundmuster jedes christlichen Lebensweges, jedes persönlich-individuellen, aber auch unseres gemeinsamen kirchlichen Weges als Gemeinschaften vor Ort, als Bistum, als Kirche in unserem Land: Immer wieder geht es darum, aufmerksam die konkrete Situation, in die wir hineingestellt sind, anzuschauen – mit ihren beglückenden Seiten und dem, was uns – als einzelne, als Pfarreien etc. – bedrückt, wo wir ratlos sind, uns vielleicht sogar ohnmächtig fühlen. Doch machen wir es so wie die Emmausjünger: In ihrer Trauer und Ohnmacht hatten sie sich Gott sei Dank nicht so eingemauert, dass sie den Dritten nicht an sich herangelassen hätten. Geben auch wir acht, lassen auch wir nicht zu, so im Käfig unserer Gedanken, unserer Gefühle und Konzepte gefangen zu sein, dass Jesus keine Chance hat, sich auch bei uns »einzuschleusen«. Denn er ist es, der den Jüngern hilft, die verknäuelten Lebensfäden zu entwirren, den roten Faden in dem zu entdecken, was sie erlebt haben. Am Ende brennen ihre Herzen, weil sie der Katastrophe des Karfreitags nicht nur irgendwie einen Sinn abringen können, sondern sie mit Jesus die Einsicht gewinnen, dass alles so kommen musste (»Musste nicht der Messias all das erleiden ...?«: Lk 24,26). Mit einem Mal wird aus den Bruchstücken - oder sagen wir es in der Symbolik des Hl. Rockes: wird aus den unverbundenen Erlebnisfetzen ein Gesamtgewebe, gehört alles Erlebte und Erlittene irgendwie zusammen, scheint alles nahtlos ineinander zu greifen: der ererbte Glaube, ihr Leben und die Botschaft Jesu.

Und all das wird ihnen nicht bloß durch ihr eigenes angestrengtes Nachdenken klar. Nein, der Sinn des Erlebten wird ihnen – wenn auch nicht ohne ihr Zutun - als Einsicht des Herzens geschenkt. Das ist die Erfahrung von Erlösung. So »geht« Erlösung, auch heute.

Elemente des Erlösungsweges auch in den Kirchen des Bistums...

Liebe Schwestern und Brüder, sie spüren, wie sehr sich der Emmausweg nahe legt als Grundmuster für den Weg des Christen auch heute. Deshalb würde ich mich freuen, wenn die Stelen mit den Impulstexten hier im Dom nicht die einzigen blieben, sondern sich in ähnlicher Form in vielen anderen Kirchen unseres Bistums wiederfinden würden. Sie könnten als konkrete Erinnerungsmarken dienen für unseren Weg des Glaubens. Wenn in den kommenden Monaten die fünf Elemente des Emmausweges zu einer Art Grundrhythmus unseres Nachdenkens, Betens und Lebens würden, dann – davon bin ich fest überzeugt - wird die Heilig-Rock-Wallfahrt nicht bloß ein vierwöchiges »frommes Event«, sondern eine wirklich Festzeit des Glaubens, eingebettet in die Realität unseres kirchlichen Lebens. Zugleich könnte die Wallfahrt - wie Emmaus für die beiden Jünger damals – auch so etwas werden wie eine »Herberge des Glaubens«, indem sie einerseits das Ziel des Vorbereitungsweges ist und andererseits Ausgangspunkt für einen neuen Aufbruch.

... gemeinsam unterwegs, auch wenn es "dunkel" ist

»Bleib doch bei uns, denn es wird bald Abend, der Tag hat sich schon geneigt«, so bitten die Jünger ihren Pilgergefährten. Eine wunderbare Bitte, eingegangen in das Beten und Singen der Kirche. Aber die Bitte klingt auch ein bisschen bang, klingt ein bisschen nach Kindern, die Angst haben, wenn vor dem Einschlafen im Flur das Licht ausgeht. Jesus gibt der Bitte der beiden Jünger nach. Er bleibt. Ja, er gibt sich zu erkennen, als er das Brot bricht, er zeigt sich als der eucharistische Herr. Als ihnen das aufgeht, beschließen die Jünger aufzubrechen, und nach Jerusalem zurückzukehren. Erstaunlich: Sie, die Angst hatten vor der Dämmerung, brechen nun auf in die Nacht! Alle Bangigkeit und Angst sind verflogen. Nun trauen sie sich sogar, durch die Dunkelheit zu gehen, trauen sich zu gehen, ohne den Weg zu sehen ... Nun können sie es. Denn sie sind gewiss: Er, das österliche Licht unseres Lebens, geht alle Wege mit. Amen

Weiteres:

Das Kunststück: ein Fest veranstalten und Menschen finden, die sich an ihm freuen

in der Predigt