Bischof Dr. Stephan Ackermann spendete am 8. Mai 2021 in Schönstatt Jakob Busch die Diakonenweihe und Johannes Oelighoff die Priesterweihe.
Die Nachricht dazu finden Sie hier.
Liebe Weihekandidaten,
liebe Eltern, Geschwister, Verwandte, Weggefährtinnen und Weggefährten der beiden Kandidaten,
liebe Mitglieder der schönstättischen Gemeinschaft,
liebe Schwestern und Brüder im Glauben!
Aus dem wunderbaren Evangelium dieses 6. Ostersonntags, das die Kandidaten für ihre Weiheliturgie belassen und dem sie auch ihren gemeinsamen Weihespruch entnommen haben, möchte ich nur drei zentrale Worte aufgreifen: Erwählung – Hingabe – Freude. Diese Worte möchte ich mit Ihnen bedenken im Blick auf den Dienst des Diakons und des Priesters.
1. Wir haben es zu Beginn der Liturgie beim Aufruf der beiden Kandidaten gehört, und wir werden es gleich bei den Bereitschaftsversprechen noch einmal ausdrücklicher hören: Die beiden Kandidaten sind bereit, sich weihen zu lassen und damit in die besondere Nachfolge Jesu Christi einzutreten. Sie haben ihre Lebenswahl getroffen. Ihr „Hier bin ich“ ist Ausdruck ihrer Entschiedenheit, ihr Leben für Christus und seine Botschaft einzusetzen.
Deshalb müsste uns ein Wort Jesu aus dem Evangelium, d. h. aus den Abschiedsreden an seine Jünger, eigentlich irritieren. Jesus sagt es sehr deutlich: Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt. (V. 16) Diese Worte klingen aufs erste Hören nicht besonders freundschaftlich, obwohl Jesus die Jünger im selben Atemzug als Freunde bezeichnet. Seine Rede klingt eher autoritär und belehrend, gerade so, als ob er ihnen an diesem Abend noch einmal sagen wollte, wer der eigentliche Herr und Chef ist.
Gerade für uns Heutige, die wir in einer so freiheitsliebenden Welt leben, wirken diese Worte Jesu befremdlich. Wir wollen nicht das wählen müssen, was schon andere für uns gewählt haben. Andererseits spüren wir, dass dieser Freiheitsdrang nicht selten umkippt; er wird ein Zwang zum Wählen. Dann ist er eine Belastung, und wir erkennen: Ich werde nicht automatisch glücklicher, je mehr ich wählen darf. Nein, das tiefste Glück des Menschen besteht darin, erwählt zu werden. Ob nicht die Traurigkeit vieler Zeitgenossen ihren Grund darin hat, dass sie sich zwar vor viele Wahlmöglichkeiten gestellt sehen, aber nicht erleben, dass sie erwählt werden, d. h. dass jemand sich für sie interessiert und sie wählt als Lebenspartner/-in, als Freund/-in, Ratgeber/-in oder auch schlicht als Arbeitnehmer/-in ...
Wenn Jesus daher sagt: Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt, dann beschreibt er damit das eigentliche Glück eines jeden Menschen. Es besteht in der Erfahrung: Da ist einer, der mich sieht, der mich kennt, der mich will.
Entspricht diese Schrittfolge „Gewählt-Werden – Selbst-Wählen“ nicht auch der konkreten Geschichte unseres Glaubens? Bevor wir uns bewusst für den Glauben oder einen Weg im und mit dem Glauben entscheiden konnten, kamen der Glaube und die Botschaft und damit Jesus Christus selbst auf uns zu.
Damit wird nichts von der Freiheit und der Verantwortung genommen, die jedem einzelnen Menschen gegeben und aufgetragen sind, aber es macht deutlich, dass unser Handeln immer Antwort ist auf das vorausgehende liebende Wort Gottes an uns.
Die Schrittfolge „Gewählt Werden – Wählen“ hat übrigens etwas Entlastendes, gerade in Zeiten, in denen der Glaube so angefochten und immer wieder infrage gestellt ist wie heute. Denn wenn Jesus auf uns zukommt, wenn er uns erwählt, dann übernimmt er damit auch Verantwortung für die Wahrheit seiner Worte. Wir haben uns die Botschaft Christi nicht ausgedacht. Sie ist nicht unsere Idee. Es sind seine Worte. Er steht für ihre Wahrheit ein.
2. Ein zweites großes Stichwort des Evangeliums ist die Hingabe: Um sie kreist auch der gemeinsame Weihespruch unserer Mitbrüdern: Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. (V. 13)
Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich während meiner Studienzeit mit einem Freund einmal eine intensive Diskussion darüber hatte, ob das eigentlich stimmt, was Jesus da sagt: Dass es keine größere Liebe gibt als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. Müssten wir nicht sagen: Doch, es gibt eine größere Liebe. Nämlich dann, wenn jemand sein Leben für seine Feinde hingibt?!
Warum spricht Jesus in dieser Stunde nicht so, da er doch in der Bergpredigt ausdrücklich sagt: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen? (Mt 5,44) Eine Antwort könnte heißen: Jesus verlangt von uns Menschen nicht das Unmögliche, sich sogar für seine Feinde zu opfern. Denn das kann nur Gott: Er hat sich für uns hingegeben, als wir noch Sünder, d. h. als wir noch seine Feinde waren, sagt Paulus (vgl. Röm 5,8). Indem Gott das für uns Undenkbare getan hat, hat er die Bruchlinie zwischen Freund und Feind letztlich überwunden.
Wenn Jesus also davon spricht, sein Leben für seine Freunde hinzugeben, dann geht es ihm wohl auch darum, die Menschen gar nicht erst einzuteilen in Freund und Feind, sondern den anderen als Nächsten zu sehen; im Anderen einen Freund, einen Bruder, eine Schwester zu sehen (unabhängig davon, ob ich für den Anderen eine besondere Sympathie empfinde!). Das ist der erste Schritt der Hingabe, von der Jesus spricht. Manchmal ist er der schwerste.
Wie das geht, zeigt uns die Erzählung aus der Apostelgeschichte: Petrus und Johannes gehen nicht ungerührt an dem Bettler vorbei. Sie werfen ihm auch nicht achtlos ein paar Münzen hin, sondern sie schauen ihn an, nehmen ihn als Person wahr, werden ihm sozusagen zu Freunden.
Wie oft schon hat Papst Franziskus von der „Sünde der Gleichgültigkeit“ gesprochen und den verheerenden Auswirkungen, die diese Haltung auf unsere Welt hat. Die Gleichgültigkeit gegenüber den anderen zu überwinden, das ist die erste Weise der Hingabe.
3. Und schließlich: Die Freude. Sie ist der eigentliche Zielpunkt von Jesu Auftrag. Nicht Entbehrung, nicht Selbstverleugnung sind das Ziel, sondern die Freude: Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird. (Vers 11) Die Freude des Evangeliums ist keine oberflächliche Heiterkeit. Sie ist auch nicht zu verwechseln mit permanent guter Laune, mit dem Anspruch, immer „gut drauf zu sein“. Sie ist auch nicht purer Enthusiasmus. Vielmehr hat sie ihre eigene Tiefe. Die Freude, von der Jesus spricht, ist nicht so sehr das Resultat von Erfolgen und von Zustimmung (so gut uns beides zweifellos tut). Die Freude des Evangeliums entspringt aus dem Bewusstsein der Erwählung, aus der Gewissheit, vom Herrn gekannt und geliebt zu sein (vgl. Lk 10,20).
Diese Freude pflanzt der Herr den Jüngern ein. Sie ist nicht statisch, sondern sie ist dynamisch, ist sogar auf Wachstum und Reifung angelegt. Sie ist eine Freude, die Bewährungen nicht scheut. Deshalb ist es auch nicht so, als ob der Höhepunkt der Freude und der Erfüllung mit der Priesterweihe und der Primiz erreicht ist, und es danach nur noch darum gehen kann, möglichst viel von dieser Freude im Auf und Ab des Alltags zu retten. Nein, mit der Freude Jesu ist es eher so wie mit einem Samenkorn, das in uns hineingelegt ist, um zu wachsen. Ich glaube, es ist hilfreich, uns dies gerade in einer Zeit in Erinnerung zu rufen, in der für viele Menschen die Freude am Glauben überschattet und angekratzt ist.
Auch der Epheserbrief, aus dem wir in der zweiten Lesung gehört haben, spricht vom Wachstum der Freude: Für ihn entspringt die Freude aus der Erkenntnis der Liebe Christi, die uns gilt und die wir immer mehr erfassen und in die wir immer tiefer hineinwachsen sollen, um immer mehr erfüllt zu werden von der ganzen Fülle Gottes (Eph 3,19).
Liebe Mitbrüder, die Ihr die Diakonen- und Priesterweihe empfangt, wir wollen Euch wünschen, dass Euch in Eurem Dienst tiefe Freude und Erfüllung geschenkt wird, die Euch immer wieder dazu motiviert, das eigene Leben einzusetzen für die Brüder und Schwestern und dadurch Frucht zu bringen, die bleibt.
Amen.