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Predigt im Pontifikalamt zur bundesweiten Eröffnung der ADVENIAT-Aktion in Trier/ 1. Adventssonntag 2022

Wir dokumentieren die Predigt im Wortlaut

Jes 2,1-5 | Röm 13,11-14a | Mt 24, 37-44 (Lesejahr A)

1. Es war im Sommer in Bolivien: Noch vor der Morgendämmerung bestiegen wir den Bus und brachen mit unserer kleinen Gruppe aus dem Bistum Trier auf zum Dorf einer indigenen Gemeinschaft am Rio Marmoré im Amazonasgebiet, an der Grenze zu Brasilien. Nach einer vierstündigen Fahrt über staubige Pisten stiegen wir um auf motorisierte Boote, mit denen wir zwei weitere Stunden in unzähligen Windungen flussaufwärts fuhren. Unsere Bootsführer machten schließlich mit geübtem Auge die Landungsstelle aus. Von dort war es nur ein kurzer Weg zum Dorf. Dort angekommen, tauchten wir ein in eine für uns völlig andere Welt, und doch brauchte es nicht lange, um mit den Dorfbewohnern ins Gespräch zu kommen.
Sie berichteten: Neben dem Dorflehrer, der während der Schulzeit für einige Monate im Dorf wohne, sei es eigentlich nur die diözesane Caritas, die sie regelmäßig besuche, ihnen helfe, sauberes Trinkwasser zu gewinnen, das Nahrungsangebot durch Anbau von Gemüse zu erweitern und ihnen vor allem lebenswichtige Medikamente bringe. Die Dankbarkeit der Menschen für dieses verlässliche Engagement war deutlich zu spüren.

2. Nicht zufällig lautet daher das Leitwort der diesjährigen ADVENIAT-Aktion Gesundsein fördern. Wir durften in Bolivien konkret erleben, wie kirchliche Akteure zur Gesundheitsversorgung in Lateinamerika beitragen, auch und gerade dort, wo staatliche Strukturen nicht greifen oder ausfallen.
Schwester Geanni Ramos hat uns in diesen Tagen erzählt, wie dramatisch die Unterernährung vieler Kleinkinder in ihrem Land, Guatemala, ist. Mit der Kleinkindpastoral in ihrem Bistum kämpft sie zusammen mit den betroffenen Familien um eine bessere Versorgung.
Gesundsein fördern – was in unseren Ohren nach ausgewogener Ernährung, nach Sport und Wellness klingt, das ist für die meisten Menschen auf der Südhalbkugel unserer Erde eine elementare Notwendigkeit, um menschenwürdig leben zu können.
Wenn wir, liebe Schwestern und Brüder, angesichts dieser Situation aufgerufen sind zu helfen, dann ist das nicht bloß eine Frage von Barmherzigkeit und Solidarität, sondern eine Frage der Gerechtigkeit innerhalb der Weltgemeinschaft. Wir sollen und wollen doch so leben, dass es nicht zulasten der Schwachen und Benachteiligten dieser Erde geht! Das ist nicht mehr als gerecht.
Nicht umsonst gehört die Forderung „Gesundes Leben für alle“ und der Zugang zu guter medizinischer Versorgung, zu lebensrettenden Impfstoffen und Medikamenten zu den 17
großen Zielen, die sich die Vereinten Nationen für eine bessere Zukunft aller Menschen gesetzt haben.

3. Nun könnte man kritisch einwenden, dass ADVENIAT als kirchliches Hilfswerk keine Unterabteilung der Vereinten Nationen ist. „Sind wir als Christinnen und Christen nicht dazu
verpflichtet, in einem größeren Horizont zu denken als dies Wohlfahrtsorganisationen tun?“, so könnte man fragen. Und spricht nicht gerade die Adventszeit vom kommenden Heil, das doch mehr ist als körperliche Gesundheit? Die ist ohnehin vielen Menschen nicht vergönnt, denken wir nur an diejenigen, die chronisch krank sind. Was heißt da: Gesundsein fördern?
Und, ja, es stimmt: Jesus war nicht bloß ein „Gesundheitsapostel“, sondern er hat das Heil verkündet, das von Gott kommt – und zwar in seiner Person.
Und doch können wir im Evangelium immer wieder sehen, dass Jesus die Ebene der körperlichen Gesundheit nicht einfach überspringt und nur die Innerlichkeit des Menschen, das
Heil seiner Seele im Blick gehabt hätte. Nein, Jesus ist der Arzt, der Heiland für Leib und Seele:

  • Dem Gelähmten, den man vor ihm durch das Dach hinablässt, spricht er nicht nur Gottes Nähe zu („Deine Sünden sind dir vergeben!“), sondern er heilt auch seine körperliche Behinderung, indem er ihm sagt: Steh auf, nimm deine Liege und geh nach Hause! (Mk 2,1-12)
  • Den Gehörlosen heilt er von seiner Taubheit, damit er auf neue Weise Platz erhält in der menschlichen Gemeinschaft und hörbereit wird für die Botschaft des Evangeliums. (Mk 7,31-37)
  • Dem blinden Bartimäus schenkt er das Augenlicht. Erst dann fordert er ihn auf: Geh! Dein Glaube hat dich gerettet. Und Bartimäus folgt Jesus auf seinem Weg. (Mk 10,46-52)

Die Heilung und das Heil, die Jesus bringt, sind nicht abstrakt, sondern haben ihren Anfangspunkt immer in unserer konkreten menschlich-sinnlichen Erfahrung. Ihr Ziel weist allerdings weit über unser enges, begrenztes Leben hinaus.

Deshalb dürfen wir, die wir als Kirche in der Nachfolge Jesu stehen, den Menschen weder das eine noch das andere vorenthalten. Eine allgemeine Heilszusage, eine nebulöse Idee der Weltrettung irgendwann bleibt abstrakt. Das ist zu wenig. Aber auch der reine Einsatz für körperliche Gesundheit wäre zu wenig. Denn Gesundheit ist ja auch nur ein Geschenk auf Zeit. Deshalb liegt das Großartige der Botschaft Jesu darin, dass sie uns Menschen einen unendlichen Horizont von Liebe und Sinn eröffnet, ohne darüber das Hier und Heute zu vergessen.

4. Genau das bezeugen uns auch die biblischen Lesungen, die wir an diesem 1. Adventssonntag hören:
Da ist die große, wunderbare Vision des Propheten Jesaja von der endzeitlichen Gemeinschaft der Völker, die sich endlich nicht mehr kriegerisch gegenüberstehen, sondern geeint sind durch eine gemeinsame Mitte und ein gemeinsames Ziel: durch Gott, den Schöpfer und Erlöser aller Menschen.
Und wir hören Jesus, der eindringlich davor warnt, sich in Gleichgültigkeit oder Träumerei zu verlieren. Seid wachsam!, so sein Aufruf. „Bleibt wachsam, damit ihr die Ankunft des
Menschensohnes nicht verpasst!“
Wir wissen, dass sich diese Wachsamkeit nicht nur auf das Kommen des Menschensohnes am Ende der Zeit bezieht. Nach Jesu eigenen Worten, kommt uns der Menschensohn jeden Tag entgegen in unseren Mitmenschen, besonders in denen, die hilfebedürftig und schwach sind und in denen, die allzu leicht übersehen werden (vgl. Mt 25,31-46).
Seid wachsam!, heißt daher für mich auch: Bleib‘ aufmerksam auf die konkreten Dinge und Begegnungen des Alltags. Denn auf sie kommt es an. Verachte die kleinen Dinge nicht, die kleinen Aktionen, die kleinen, unspektakulären Hilfestellungen und Einsätze, von denen man vielleicht den Eindruck hat, dass sie nicht reichen, um die Welt retten. In der Kraft Gottes können auch die kleinen Dinge, können unsere kleinen Kräfte gute Wirkung entfalten und dazu beitragen, dem großen Heil Gottes den Weg zu bereiten.

 

Weiteres:

Eröffnung ADVENIAT-Aktion

in der Predigt