Damit Sie unsere Internetseite optimal nutzen können, setzen wir nur technisch notwendige Cookies (kleine Textdateien, die auf Ihrem Rechner abgelegt werden). Zur Reichweitenmessung der Seiten nutzen wir eine anonymisierte Statistik, die keine personenbezogenen Rückschlüsse auf Sie zulässt. Näheres finden Sie in unserer Datenschutzerklärung. Datenschutzerklärung

Die Kirche - ein Netz von Eucharistiegemeinschaften

Predigt zum Fronleichnamsfest

Zu den Befürchtungen, die im Blick auf die geplanten Pfarreien der Zukunft geäußert werden, gehört immer wieder die Frage: Müssen wir dann am Sonntag und am Feiertag weite Wege zurücklegen, um zur Messe zu kommen? Angesichts des Gottesdienstbesuchs, der in unserem Bistum durchschnittlich nur bei knapp acht Prozent liegt, bin ich manchmal darüber erstaunt, wie häufig diese Frage gestellt wird, nicht nur von regelmäßigen Kirchgängern.

Natürlich ist es so, dass es in der katholischen Frömmigkeit eine besondere Konzentrierung auf die Feier der Heiligen Messe gibt. Andere Gottesdienstformen treten dahinter zurück. Dabei hat die Verkündigung und die kirchliche Bildungsarbeit nach der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils versucht, den Wert auch anderer Gottesdienstformen hervorzuheben, wie etwa Wortgottesfeiern und Teile der Stundenliturgie (zum Beispiel Laudes und Vesper) … Man hat immer wieder darauf hingewiesen, dass Jesus Christus nicht nur im Sakrament der Eucharistie, sondern auch im Wort der Heiligen Schrift und in der Versammlung der Gläubigen gegenwärtig ist. Dennoch ist die Zentrierung auf die Feier der Heiligen Messe geblieben. Ist das bloß ein Ausdruck der konservativen Grundhaltung vieler Gläubiger, die an einer bestimmten Form festhalten, mit der sie seit Kindertagen großgeworden sind?

Die Eucharistie zeigt die Grundbewegung des Lebens

Ich glaube nicht. Das wäre eine einseitige und abwertende Interpretation. Ich glaube, dass die Konzentration auf die Messe einem richtigen Grundgespür der Gläubigen entspricht. Ja, katholische Frömmigkeit ist stark von der Eucharistie geprägt. Das wird ganz besonders etwa am heutigen Fronleichnamsfest sichtbar. Nun ist aber in der Tat die Feier der Eucharistie mehr als eine Gottesdienstform unter anderem. Denn in der Feier der Eucharistie, in der Darbringung der Gaben von Brot und Wein, kommt wie in keinem anderen Gottesdienst die Grundhaltung Gottes, des Schöpfers, zu seiner Schöpfung und in besonderer Weise zu uns Menschen zum Ausdruck: In seiner Liebe beschenkt er uns nicht nur mit der Gabe des Lebens, er beschenkt uns sogar mit sich selbst.

Mehr noch: In der Feier der Eucharistie kommt die Grundbewegung des Lebens überhaupt zum Ausdruck: Leben heißt: Empfangen und Geben. Aus diesem Grundrhythmus leben wir. Dem Rhythmus von Schenken und Empfangen und Zurück- und Weiterschenken verdanken wir unser Leben. Wo dieser Rhythmus unterbrochen wird oder aufhört, hört das Leben auf. Denn dann hört die Liebe auf.

Die Feier der Heiligen Messe, der Eucharistie mit ihrem Rhythmus von Wort und Antwort, von Geben und Empfangen enthält in sich das Grundgesetz des Lebens. Deshalb steht sie über allen anderen Formen des christlichen Gottesdienstes.

Die Kirche lebt von der Gemeinschaft in der Eucharistie

Aber es kommt noch etwas hinzu: Die Eucharistie als Feier und als Sakrament spiegelt nicht nur in sich das Grundgesetz jedes einzelnen Lebens wider, sondern auch das Grundgesetz jeder Gemeinschaft. Nicht umsonst sprechen wir vom Sakrament der Kommunion.

So wie wir uns kein Leben ohne Gemeinschaft vorstellen können, können wir uns keine Gemeinschaft vorstellen, in der das gemeinsame Mahl, die Tischgemeinschaft keine Rolle spielen würde. Wieso eigentlich? Wenn wir bei einem Fest, etwa zum Geburtstag, gemeinsam essen, dann geht es dabei wahrhaftig nicht nur um Nahrungsaufnahme (als ob wir sonst nichts bekämen …). Nein, wenn wir ein Fest feiern, dann spüren wir besonders deutlich, dass wir uns das Leben nicht aus eigener Kraft gegeben haben und erhalten können. Wir leben von den Gaben der Schöpfung (zu denen wir freilich unseren Beitrag leisten müssen) und von den Beziehungen zu anderen Menschen. Gerade bei festlichen Anlässen teilen wir die Gaben, von denen wir leben, mit anderen und stärken dadurch unsere Gemeinschaft mit ihnen.

So lebt die Kirche von der Gemeinschaft in der Eucharistie. Sie ist Gemeinschaft in einem doppelten Sinn: Sie ist erstens Gemeinschaft mit Gott, der uns nicht irgendetwas, sondern sich selbst schenkt, indem er uns in Jesus zu Nahrung und Speise wird. Und sie ist zweitens die Gemeinschaft der Gläubigen untereinander: Im Gedenken an den Auftrag Jesu teilen wir das Wort Gottes und das Brot miteinander. Und dies vor allen Dingen am Sonntag, dem ersten Tag der Woche, dem Tag der Auferstehung. So gesehen könnte man die Kirche in ihrem Kern beschreiben als ein Netz von Eucharistiegemeinschaften, die sich in Jesu Namen versammeln, sich von ihm stärken und von ihm senden lassen zum Einsatz für die Welt. – Ein Gedanke, den Papst Benedikt immer wieder geäußert hat.

Eucharistie - Kraft zum christlichen Leben

Aus der Frühzeit der Kirche ist uns das berühmte Beispiel der Märtyrer von Abitene überliefert, einem kleinen Dorf im heutigen Tunesien. An einem Sonntag werden dort 49 Christen überrascht, als sie in einem Privathaus die Eucharistie feiern und sich damit den kaiserlichen Verboten widersetzen. Sie werden festgenommen und nach Karthago gebracht, um verhört zu werden. Besonders eindrücklich ist in den Märtyrerakten die Antwort eines Christen, der auf die Frage, warum sie dem strengen Befehl des Kaisers zuwidergehandelt hätten, zur Auskunft gab: Sine dominico non possumus! Ohne den Sonntag, das heißt: ohne uns am Sonntag zur Feier der Eucharistie zu versammeln, können wir nicht leben. Es würden uns die Kräfte zu einem christlichen Leben fehlen.

In der Eucharistie begegnen wir dem Geheimnis Gottes

Liebe Schwestern und Brüder, durch die Feier der Eucharistie werden andere Formen des gemeinsamen Gebetes und des Gottesdienstes nicht überflüssig, keineswegs. Aber die besondere Konzentration auf die Eucharistie, die Hochschätzung der Messfeier entspricht durchaus unserem Glauben. Sie ist nicht Einfallslosigkeit, ist nicht bloß konservatives Festhalten an einer bestimmten Form, sondern die zentrale Feier, durch die wir verstehen, wer Gott ist, wer er für uns ist und wer wir selbst sind.

Deshalb können wir nicht auf die Eucharistie verzichten, auch nicht in der Verwirklichung der Synodenbeschlüsse. Eine nachsynodale Kirche kann nicht eine Kirche ohne Eucharistie sein. Dann würde sie fehlgehen. Denn in der Eucharistie begegnen wir so intensiv wie nirgendwo sonst dem Geheimnis Gottes, dem Geheimnis der Welt, dem Geheimnis unseres persönlichen Lebens. Feiern wir in diesem Sinn voller Dankbarkeit das Fronleichnamsfest!

Weiteres:

Fronleichnam - 20. Juni 2019

in der Predigt