Liebe Schwestern und Brüder,
der Abschnitt aus dem Matthäusevangelium, den wir gehört haben, ist das Evangelium des heutigen Gedenktages der heiligen Schutzengel. Wahrscheinlich hat man diesen Evangelientext für den Gedenktag ausgesucht wegen des letzten Satzes, den wir gehört haben: Jesus warnt die Jünger davor, die Kleinen, die Kinder zu verachten, die - und dafür stehen ja die Kinder insgesamt -, die leicht unter die Räder kommen, die oft „unter ferner liefen“ rangieren, die, die sich nicht so wehren können. Jesus sagt klar: Sie sind nicht zu verachten, denn – so seine Begründung: Ich sage euch, ihre Engel im Himmel sehen stets das Angesicht meines himmlischen Vaters. Das heißt, sie haben alle einen direkten Draht zu Gott, dem Vater aller. Gott weiß um jeden Einzelnen ganz persönlich. Um jeden, um jede kümmert er sich.
Wir können uns an diesem Abend von den Worten Jesu über die Kinder inspirieren lassen für unsere synodale Arbeit der kommenden Tage. Warum legt Jesus uns diese Haltung nahe? Sicher nicht, weil er will, dass seine Jünger naiv sein sollen. Sie sollen aber von einem Grundvertrauen getragen sein, so wie das bei Kindern ist, die sehr wohl wissen, dass sie nicht alles aus sich selbst heraus können, dass sie die Hilfe der Großen brauchen. Das kann für uns heißen, klar zu haben, dass wir ohne die Hilfe des Großen, ohne die Hilfe Gottes in der Synode nichts Gescheites zu Stande bringen. Mit diesem kindlichen Grundvertrauen dürfen wir in diese Tage gehen.
Und ein Zweites: Neben dem Vertrauen, das Kinder haben, ist ja immer auch ein Selbstbewusstsein da. Wir kennen das: Mit welcher Selbstverständlichkeit kommen Kinder zu ihren Eltern oder Verwandten bei einem Fest, wenn sie irgendein Anliegen haben, wenn sie nicht zu recht kommen. Sie nehmen dann wenig Rücksicht. Sie können regelrecht hineinbrechen in das Gespräch der Großen, weil für sie klar ist: Wir gehören dazu, und wir dürfen jetzt die Hilfe der Großen in Anspruch nehmen. Dieses Selbstbewusstsein der Kinder, das schwingt für mich auch in diesem Aufruf Jesu mit: Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder! Der Evangelist Johannes spricht am Beginn seines Evangeliums sogar von der „Macht“, Kind Gottes zu sein (vgl. Joh 1,12). Darin besteht die Macht: Mit großer Selbstverständlichkeit, ja mit Selbstbewusstsein vor den Herrn hinzutreten.
Und ein Letztes. Das gehört auch zur Haltung der Kinder: die Neugier. Neugier an der Welt und an den anderen, gepaart mit der Fähigkeit, mit anderen mitzufühlen. Wie empathisch können Kinder sein, wenn sie sehen, da freut sich jemand, da lacht jemand, da tanzt jemand, da erschrickt jemand, da leidet jemand. Empathie und Neugier, das sind kindliche Haltungen. Es sollen auch unsere Haltungen als Synodale sein. Neugier zu haben in diesen Tagen an der Arbeit der anderen, an den Perspektiven der anderen, was sie einzubringen haben und zugleich Empathie zu haben, d. h. vom anderen her zu denken, sich einzufühlen, sich auch zu fragen: „Wie kommt es, dass sie, dass er so denkt und spricht?“
Grundvertrauen, Selbstbewusstsein, Neugier und Empathie. Ich meine, dass der Evangeliumsabschnitt uns das nahe legt. Wenn man das so hört, dann klingt das schön und einladend. Aber wenn wir ehrlich sind, dann wissen wir, dass es nicht selten ein gutes Stück Arbeit bedeutet, uns aus unseren Erwachsenenkategorien heraus in diese Haltungen zu begeben. Deshalb sagt Jesus auch: „Wenn ihr nicht umkehrt!“ Es ist ein gehöriges Stück Umkehr-Arbeit, aus unseren Kategorien, aus unseren Mustern in die richtigen Verhaltensmuster der Kinder Gottes zu kommen.
Wir wollen am Beginn unsere innere Bereitschaft dazu erneuern, damit unsere Beratungen wirklich fruchtbar werden können. Amen.