1. Der Gottesdienst am Abend des Gründonnerstags führt uns an den Ursprung jeder Eucharistiefeier. Denn es ist ja der Abend, an dem Jesus sich mit seinen Jüngern zum letzten Mal zum jüdischen Paschamahl zusammenfindet. An diesem Abend begeht er mit den Zwölf nicht nur die traditionelle Feier, die die Juden an die Befreiung aus der Knechtschaft Ägyptens erinnert, sondern Jesus gibt dieser Feier eine neue Bedeutung. In ihr erkennt er sein eigenes Geschick, erkennt er das, was am nächsten Tag geschehen wird: Er wird das Lamm sein, dessen Blut vergossen wird.
Aber dieses Geschick wird nicht einfach über ihn hereinbrechen, auch das macht er im Abendmahlssaal deutlich, wenn er über das Brot sagt: Nehmt, das ist mein Leib für euch und über den Becher mit dem Wein: Nehmt und trinkt. Das ist mein Blut.
Die Passion Jesu ist nicht willenlose Preisgabe, auch wenn es nach außen so aussieht, sondern bewusste Hingabe. Jesus gibt aus freien Stücken alles, was er ist und hat, in die Gaben von Brot und Wein.
Dann trägt er den Jüngern auf: Tut dies zu meinem Gedächtnis! (1 Kor 11,25).
So führt uns also der Gründonnerstag an den Ursprung dessen, was wir in jeder Messe tun. Wir erfüllen damit Jesu Auftrag. Und indem wir dies tun, erhalten wir Gemeinschaft mit Jesus und miteinander.
2. In diesem Jahr können wir ausgerechnet an diesen Tagen dem Auftrag Jesu nur begrenzt nachkommen. Wir wissen warum. Aber das ist für sehr viele Christen schmerzlich und bitter: Wir können uns nicht als große Gottesdienstgemeinde versammeln und unzählige Christen weltweit können konkret-leiblich die Kommunion nicht empfangen.
Deshalb haben wir verstärkt dazu eingeladen, die Kommunion geistlich zu empfangen. Doch was heißt das eigentlich: Geistige oder geistliche Kommunion?
Es heißt, sich innerlich, sich in Gedanken und im Herzen, in der Haltung des Glaubens mit Jesus zu verbinden.
Nun können Sie sagen: „Aber das tue ich doch auch, wenn ich in der Messe die heilige Kommunion empfange.“ Und Sie haben völlig recht: Man kann nicht wirklich Jesus in der Hostie, in der Gestalt des Brotes empfangen, ohne sich ihm im Geist und im Herzen zu öffnen. Der Kommunionempfang ist ja keine magische Handlung, die in uns wirkt, ohne dass wir mit unserer Freiheit und unserem Willen daran beteiligt werden. Die Hostie ist kein Wirkstoff, der allein auf rein biologischer Ebene in unserer Persönlichkeit Veränderungen hervorrufen würde.
Nicht umsonst sagt derselbe Jesus, der den Jüngern im Abendmahlssaal sagt: „Nehmt und esst. Das ist mein Leib“ an anderer Stelle: „Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt nichts“ (Joh 6,63). Wirkliche Kommunion mit Jesus gibt es nicht ohne geistige Kommunion, ohne Gemeinschaft im Geist.
Und d. h. zuerst und vor allem: Sich Jesus und seiner Botschaft öffnen, immer wieder neu. Auf Jesus hören, von ihm lernen, sich von seiner Lebenshaltung, d. h. seiner Liebe zu Gott und den Menschen prägen lassen – auch gegen alle unsere inneren Widerstände …
Wir können es an Simon Petrus ablesen: Es reicht nicht, dass Petrus an diesem Abend mit Jesus das Brot teilt und den Wein (das tut ja auch Judas). Es braucht die geistige Kommunion, die Gemeinschaft im gemeinsamen Geist: Deshalb die Geste der Fußwaschung. Sie ist so etwas wie die vorbereitende geistige Kommunion der Jünger, insbesondere des Petrus mit Jesus. Die äußere Tischgemeinschaft mit dem Teilen der Speisen allein wäre zu wenig gewesen. Deshalb fragt Jesus die Jünger: „Begreift ihr, was ich an euch getan habe?“ (Joh 13,12) Begreift ihr die Tat meiner Liebe? Erst wenn ihr begreift, dann werdet ihr volle Gemeinschaft, volle Kommunion mit mir haben.
3. Wenn das aber stimmt, liebe Schwestern und Brüder, könnte man dann nicht sogar sagen, dass das Eigentliche die geistige Kommunion ist und nicht der äußere, leibliche Kommunionempfang?
Ja, so kann man tatsächlich fragen. Aber wir dürfen darüber eben nicht vergessen, dass Jesus gesagt hat: Nehmt und esst; tut dies zu meinem Gedächtnis!
Und er sagt in seiner großen Rede über das Himmelsbrot nicht nur: „Der Geist ist es, der lebendig macht. Das Fleisch nützt nichts.“ (Joh 6, 63). Er sagt auch: „Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch.“ (Joh 6,53) Es gehört beides zusammen: Geist und Leib. Das ist nicht voneinander zu trennen.
Denn eine bloß geistige Gemeinschaft, sozusagen eine „Geistesverwandtschaft“, kann auch zu wenig sein, weil sie nicht konkret wird, weil sie bloß auf einer geistigen Ebene bleibt. Jesus will nicht, dass wir uns ihm bloß geistig anschließen. Seine Botschaft ist keine Philosophie oder bloße Weltanschauung, sondern eine Botschaft, die ins Handeln drängt, die konkret wird, die nicht nur von der Liebe spricht, sondern sie tut (1 Joh 4,20).
Deshalb ist die Passion Jesu die Konsequenz seiner Botschaft. Jesus belässt es eben nicht bei poetischen Bildern und tiefsinnigen Sätzen, sondern seine Botschaft ist konkret. Deshalb wird sie für ihn blutiger Ernst.
4. Liebe Schwestern und Brüder, unsere Gemeinschaft mit Christus braucht beides: Den konkreten Empfang der heiligen Kommunion in der konkreten Gemeinschaft der Kirche. Aber wir müssen eben auch darauf achten, dass das nicht zu einem rein äußerlichen Vorgang absinkt. Die Corona-Krise gibt uns die Chance, dafür neu sensibel zu werden.
Immer wieder braucht es die Bereitschaft, sich auf Jesus einzustellen, sich von ihm korrigieren und reinigen zu lassen wie Petrus.
Und es braucht die Bereitschaft, sich nach dem Vorbild und dem Auftrag Jesu konkret einzulassen auf das Leben, auf meine Mitmenschen, auf die Welt, wie sie ist.
Dazu bedarf es nicht immer großer heldenhafter Taten. Oft reicht auch das Kleine, Bescheidene, wenn es nur konkret ist. Auch das lehren uns der Gründonnerstagabend und die Eucharistie: Es braucht für Petrus nicht das ganze Bad. Da reicht das Waschen der Füße. Und in einem kleinen Stück Brot und einem kleinen Schluck Wein ist alles enthalten: Der ganze Reichtum von Gottes Liebe.
Amen.