„Damit wir uns immer wieder neu von Christus ergreifen lassen und dadurch immer tiefer begreifen, was er an uns getan hat und wie sehr er uns einlädt zur Hochzeit, die Gott und Menschen miteinander verbindet“: Das ist für Bischof Dr. Stephan Ackermann der Grund, weshalb jedes Jahr das Geheimnis der drei österlichen Tage gefeiert wird. In der Gründonnerstagsliturgie (1. April) im Trierer Dom sagte er, nur wer wenigstens ahnungshaft begreife, um welches Geheimnis es gehe, „wird sich auf den Weg Jesu einlassen“.
1. Sehr feierlich leitet der Evangelist Johannes die Erzählung von der Fußwaschung ein: Er spricht davon, dass „Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen.“ (Joh 13,1)
Schon vorher begegnet uns im Johannesevangelium immer wieder die geheimnisvolle Rede von „der Stunde“, genauer gesagt: von der Stunde Jesu. Im Abendmahlssaal wird klar, dass mit dieser Stunde keine Uhrzeit gemeint ist, sondern die Zeit der Passion, der Moment, in dem sich Jesu Auftrag vollendet.
2. Schauen wir vom Ende her noch einmal auf den Augenblick, in dem im Johannesevangelium zum ersten Mal von „der Stunde“ die Rede ist: Es ist ganz zu Beginn von Jesu Wirken bei der Teilnahme an der Hochzeit in Kana.
Wir kennen die Szene: Jesus und seine Jünger und seine Mutter sind zu dieser Hochzeit eingeladen, und es geht der Hochzeitsgesellschaft der Wein aus. Das Fest droht in einer Blamage zu enden. Da wendet sich Maria an Jesus mit dem diskreten Hinweis: „Sie haben keinen Wein mehr.“ Darauf erwidert Jesus mit der schroff klingenden Antwort: „Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“ (Joh 2,4) Aber dann hilft er doch und gibt den Dienern die Anweisung, die Krüge, die vorher zur Reinigung der Gäste mit Wasser gefüllt waren, noch einmal zu füllen. Die Diener tun es, und es geschieht das Wunderbare: Als der Speisemeister das Wasser kostet, da ist es zu Wein geworden. Das Fest ist damit nicht nur gerettet, sondern es gewinnt noch an Großzügigkeit und an Güte. Denn der Speisemeister stellt fest, dass der neue Wein besser ist als der erste.
3. Kehren wir wieder zum Gründonnerstag zurück: Jetzt, da die Stunde Jesu gekommen ist, taucht das Motiv von der Reinigung und des Wassers wieder auf. Aber diesmal erteilt Jesus keine hoheitlichen Aufträge, und auch das Wasser, das Jesus in die Schüssel gießt, wird nicht zu dem Wein, den er seinen Jüngern reicht, um mit ihnen das Freundesmahl zu feiern. Diesmal geschieht keine wundersame Verwandlung des Wassers. Das Wasser bleibt Wasser. Mehr noch: Es wird zum Schmutzwasser, nachdem Jesus den Jüngern die Füße gewaschen hat.
Aber der Vergleich mit der Situation in Kana zeigt uns, dass das, was Jesus damals gewirkt hat, nur so etwas war wie ein „Vorspiel“, ein „Zeichen“ (Joh 2,11). Und wir verstehen nun auch besser seine reservierte Antwort an Maria: Jesus ist nämlich nicht gekommen, um Menschen kurzfristig aus der Patsche zu helfen oder peinliche Situationen zu überbrücken. Sein Auftrag zielt auf das große Fest, das Gott mit uns Menschen feiern will und zu dem all unsere menschlichen Feste so etwas wie Vorspiele sind, sofern sie nicht bloß oberflächliche Partys und Events sind. Der Auftrag Jesu zielt auf die Hochzeit schlechthin: den Bund zwischen Gott und den Menschen.
Für dieses Fest gibt Gott alles, investiert Jesus sein Leben, seine ganze Existenz. Denn dieses Fest zwischen Gott und den Menschen ist nicht mit einem Fingerschnippen zu bewerkstelligen, auch wenn es in Kana fast danach aussah.
Aber Jesus will nicht beeindrucken, sondern er will uns bekehren.
Er will auch nicht bloß Wasser in Wein verwandeln, sondern er will unsere Herzen verwandeln.
Solche innere Verwandlung geschieht nicht durch spektakuläre äußerliche Aktionen, sondern nur durch den Erweis von Liebe. Deshalb setzt Jesus alles ein, was er hat: sein ganzes Leben, seine ganze Liebe.
Deshalb befiehlt Jesus im Abendmahlssaal nicht hoheitlich irgendwelchen Dienern, wie er es damals in Kana getan hat. Im Abendmahlssaal macht er sich selbst zum Diener seiner Jünger. Das Wasser bleibt Wasser. Es wird zum Schmutzwasser und damit zum Symbol für all das, was im menschlichen Leben der Reinigung bedarf: unsere Egoismen, unsere Gier, unsere Ängste, unsere Rücksichtslosigkeiten …
Im Abendmahlssaal wandelt sich nicht das Wasser in Wein. Hier nimmt der Wein die Gestalt des Blutes an. Das Blut zeigt, was Gott sich die Freundschaft mit uns Menschen kosten lässt: das Blut seines Sohnes, das er für die Seinen vergießt.
4. Liebe Schwestern und Brüder, den Gästen auf der Hochzeit zu Kana blieb es ein Geheimnis, wie aus dem Wasser Wein geworden war. Selbst das Brautpaar und der Speisemeister wussten nicht, woher der Wein kam. Nur die Diener, die das Wasser geschöpft hatten, wussten es, sagt der Evangelist (Joh 2,9).
Auch im Abendmahlssaal ist es zunächst nur der Diener, der wirklich versteht, was vor sich geht. Nur er kennt das Geheimnis der Verwandlung von Brot und Wein in Fleisch und Blut. Nur er kennt das Geheimnis der Liebe ganz. Dieser Diener ist Jesus selbst.
Aber dann will er, dass auch die Gäste am Tisch, dass seine Jünger verstehen. Deshalb fragt er sie, nachdem er ihnen die Füße gewaschen hat: Begreift ihr, was ich an euch getan habe? (Joh 13,12) Es ist ihm wichtig, dass seine Jünger begreifen. Sie können es in dieser Situation und in dieser Nacht noch nicht begreifen. Aber sie werden nach Ostern und dann durch die Gabe des Heiligen Geistes mehr und mehr begreifen, Schritt um Schritt. Denn nur wer wenigstens ahnungshaft begreift, um welches Geheimnis es hier geht, wird sich auf den Weg Jesu einlassen.
Deshalb feiern wir jedes Jahr das Geheimnis der drei österlichen Tage, damit wir uns immer wieder neu von Christus ergreifen lassen und dadurch immer tiefer begreifen, was er an uns getan hat und wie sehr er uns einlädt zur Hochzeit, die Gott und Menschen miteinander verbindet.