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Predigt von Bischof Dr. Stephan Ackermann am Gründonnerstag 2022

Himmel und Erde, Gott und Mensch

„Eucharistie und Fußwaschung öffnen uns die Tür zu dem großen Geheimnis, das wir in diesen Tagen feiern. Sie sagen uns: Denk daran, dass es bei der Botschaft Jesu immer um das Ganze des Lebens und der Welt geht. Da ist immer alles mit im Spiel: Himmel und Erde, Gott und Mensch.“ So hat Bischof Dr. Stephan Ackermann am 14. April im Trierer Dom die Bedeutung der Gründonnerstagsliturgie erklärt.

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Wir dokumentieren den Wortlaut der Predigt:

Immer wieder kann man es lesen oder hören: Der christliche Glaube sei leibfeindlich. Das gelte besonders für das Christentum in seiner katholischen Ausprägung. Aber stimmt das wirklich? Ich glaube das nicht. Leibfeindlich ist der katholische Glaube nicht, lustfeindlich schon eher, wenn man an die Empfehlungen zu Askese und Enthaltsamkeit in verschiedenen Lebensbereichen denkt.
Tatsächlich gibt es in der Glaubensgeschichte bis heute eine breite Tradition der Skepsis gegenüber der „puren Lust“, wenn sie nicht zugleich „höheren Zwecken“ dient. Diskussionen dazu werden ja auch bei den Versammlungen des Synodalen Weges geführt. In puncto Lust und Freude kann die kirchliche Lehre in der Tat noch an Freiheit hinzugewinnen … Aber ein leibfeindliches Christentum wäre ein Widerspruch in sich.
Dafür steht auch der Gründonnerstag: Jesus wäscht seinen Jüngern die Füße. Er gebärdet sich beim Abschied von seinen Jüngern nicht wie ein Weisheitslehrer, der noch einmal seine wichtigsten Einsichten und Lehren zusammenfasst. Nein, Jesus zeigt, wie konkret er es mit seiner Botschaft meint. Wie in seinem ganzen Wirken zeigt Jesus auch an diesem Abend keine Berührungsängste: Wie oft hat Jesus bei seinen Heilungen Menschen körperlich berührt, ihnen die Hände aufgelegt (vgl. Lk 4,40), seinen eigenen Speichel verwendet, um die Augen des Blinden zu heilen (vgl. Mk 8,22ff). Er hat den Leichnam des Jünglings von Nain berührt (Lk 7,11-17), um ihn ins Leben zurückzuholen. Jesus hat Menschen berührt, und er hat sich von Menschen berühren lassen, auch und gerade von solchen, die in den Augen seiner Zeitgenossen Parias, Aussätzige, Unberührbare waren (vgl. Lk 5,12f/ Lk 7,36-50). Er hat mit ihnen ihre Speisen und Getränke geteilt.

Gründonnerstag macht die Wucht der Botschaft Jesu deutlich

Am Gründonnerstagabend wird die Bedeutung, die Jesus dem menschlichen Leib zumisst, deutlicher als je zuvor: Er wäscht seinen Jüngern die Füße, er isst und trinkt mit ihnen, und er reicht ihnen das Brot mit den Worten: „Das ist mein Leib.“ Mehr Leib-Betonung geht nicht! Was Jesus mit der Gabe und Hingabe seines Leibes meint, das wird am nächsten Tag deutlich, als er den Tod am Kreuz stirbt.
In diesem Tod werden ihm Leib und Leben nur äußerlich gesehen gewaltsam entrissen. Innerlich hat er beides bereits am Vorabend verschenkt. Am Kreuz wird dieses Geschenk leibhaft besiegelt.
Der Gründonnerstag macht nicht nur die existenzielle Wucht der Botschaft Jesu deutlich. Er zeigt auch, wie sehr Jesus – und damit unser Glaube – den Menschen in seiner Ganzheit ernst nimmt: Der Glaube ist nicht bloß eine Sache des Kopfes und des Gefühls, sondern meint den ganzen Menschen. Ganz Mensch sind wir aber nur mit Geist und Leib. Wir sind Person nur in und mit unserem Leib, unserem Körper. Jeder Kontakt zur Welt und zu Menschen ist ohne die Funktionen unseres Organismus undenkbar.

Ihm nachfolgen mit der ganzen Existenz

Wenn Jesus an diesem Abend also seinen Jüngern Brot und Wein reicht mit den Worten: „Nehmt, das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Nehmt, das ist mein Blut, das für euch vergossen wird“, dann ist das keine Magie, sondern Beschreibung der Realität. Er meint es ganz ernst.
Es geht ihm nicht um die bloße Weitergabe einer religiösen Lehre an einen Schülerkreis, sondern um ein Leben, sein Leben, das sich hingibt und zur Hingabe einlädt. Jesus geht es nicht darum, dass seine Jünger nach seinem Tod über seine Lehre nachdenken, sondern dass sie ihm nachfolgen mit ihrer ganzen Existenz.

Konkrete Nachfolge der Jünger

Die Rede von Fleisch und Blut steht also nicht nur für den ganzen Ernst der Hingabe Jesu selbst. Sie steht auch für die konkrete Nachfolge der Jünger.
Jesus weiß, wie stark wir Menschen in der Versuchung stehen, einer Lehre, die uns anspricht, einerseits zuzustimmen, aber uns andererseits ins Unverbindliche, ins Abstrakte, in Diskussionen und Theorien zu flüchten, wenn es konkret wird. Dann fallen uns alle möglichen Gesichtspunkte ein, die man doch noch bedenken sollte, bevor man sich entscheidet und anfängt zu handeln … Dann aber flüchten wir in ein leibloses Christentum.

Es geht um Situationen des Alltags

Dabei geht es in der alltäglichen Nachfolge Jesu in der Regel gar nicht um die Fragen von Leben und Tod, von Hingabe und Einsatz bis zum Äußersten, sondern eher um die Situationen des Alltags. Es geht

  • um den Menschen, der auf eine Antwort/ eine Entscheidung von mir wartet;
  • um den Anruf oder den Besuch, der mir lästig ist;
  • um die bescheidene Bitte um Hilfe, die ich am liebsten geflissentlich überhören würde.

All das sind Situationen, in denen wir zeigen können, wie konkret, wie leibhaft wir den Glauben leben oder eben nicht.
Liebe Schwestern und Brüder, ich finde ich es großartig, dass uns die Liturgie vom Gründonnerstagabend beides anbietet: Die Abendmahlsüberlieferung mit ihrer ganzen dramatischen Größe, ihrem ganzen existenziellen Ernst und die im Vergleich dazu kleine Geste der Fußwaschung, in der irgendwie trotzdem alles enthalten ist.
Eucharistie und Fußwaschung öffnen uns die Tür zu dem großen Geheimnis, das wir in diesen Tagen feiern. Sie sagen uns: Denkt daran, dass es bei der Botschaft Jesu immer um das Ganze des Lebens und der Welt geht. Da ist immer alles mit im Spiel: Himmel und Erde, Gott und Mensch, Geist und Leib. Atemberaubend, wenn wir es recht bedenken.
Aber es muss uns nicht den Atem verschlagen. Denn die Botschaft lautet auch:
Wenn du achtsam bist, wenn du Augen hast für die tagtäglichen Anrufungen Gottes, wenn du dich den kleinen konkreten Zumutungen des Alltags nicht entziehst, dann kann darin das Eigentliche geschehen: die Hingabe, zu der wir nach dem Beispiel Jesu berufen sind.

Weiteres:

Gründonnerstag 2022

in der Predigt