Lieber Jubilar Weihbischof Alfred,
liebe Verwandte, Freunde und Weggefährten unseres Jubilars,
liebe Mitbrüder im Bischofs-, Priester- und Diakonenamt, liebe Festgemeinde!
Wir leben in kirchlich unruhigen Zeiten: Das gilt im Blick auf die Weltkirche. Das gilt gerade auch in den letzten Wochen im Blick auf die Kirche in Deutschland. Und es gilt im Blick auf unser Bistum im Jahr 2 nach der Diözesansynode. Wir ringen um den richtigen Weg für die Kirche von heute. Evangeliums-gemäß muss der Weg sein und den Menschen nahe.
Bei einem Goldenen Bischofsjubiläum könnte man denken: Vor 50 Jahren, da gab es noch die Volkskirche. Es waren die Jahre nach dem Konzil. Aufbruchsstimmung lag in der Luft. Goldene Zeiten, auch für Bischöfe ... Aber wenn wir uns die konkrete Jahreszahl in Erinnerung rufen, dann ist uns schnell klar, dass dies eine trügerische Nostalgie ist. Es handelt sich ja um das Jahr 1968: Ein symbolträchtiges Jahr für Gesellschaft und Kirche. Nicht wenige sagen: Ein Jahr, das eine Zäsur bedeutet: Denken wir an die Niederschlagung des Prager Frühlings durch den Einmarsch sowjetischer Truppen, die weltweiten Studentenunruhen, die Enzyklika „Humanae Vitae“ über die „rechte Ordnung der Weitergabe menschlichen Lebens“ von Papst Paul VI. … Mitten in diesen Ereignissen wird der 40-jährige Priester Alfred Kleinermeilert (zusammen mit seinem Mitbruder Karl-Heinz Jacoby) zum Bischof geweiht. Die erste Vollversammlung der Bischofskonferenz, die sie erleben, ist die außerordentliche Sitzung der Bischöfe in Königstein mit der Verabschiedung der „Königsteiner Erklärung“, einer Handreichung der Bischöfe zur pastoralen Situation nach dem Erscheinen der päpstlichen Enzyklika. Und dann wenige Tage später: der Katholikentag in Essen, geprägt von bis dahin nicht gekannten Kontroversen innerhalb des deutschen Katholizismus.
Es war ein turbulenter Beginn des bischöflichen Dienstes von Weihbischof Alfred! Ab und zu erinnert er uns in Gesprächen daran. Dass es auch in den folgenden Jahrzehnten spannend blieb, brauche ich nicht weiter zu illustrieren … Manches Mal schon habe ich mich gefragt, wie es unser Jubilar geschafft hat, über die langen Jahrzehnte hinweg die innere Gelassenheit und Heiterkeit, die bis heute von ihm ausgeht, zu bewahren. Da mag seine Herkunft von der Ahr mit der Nähe zum Rheinland eine Hilfe sein, aber die natürlichen Gaben und die heimatliche Prägung würden nicht reichen. Ohne eine entsprechende gläubige Grundhaltung wäre es zu wenig.
Ich erinnere mich noch gut an ein Gespräch, das ich mit Weihbischof Alfred vor einigen Jahren während einer längeren Autofahrt über das Thema Berufung hatte. Auf meine Frage, wie er denn auf den Gedanken kam, Priester zu werden, war seine Antwort prompt und kurz: „Ich wollte Gott dienen!“ Mir hat sich diese Antwort in ihrer Kürze eingeprägt. Wie oft wird man als Priester, auch als Bischof gefragt: „Warum wollten Sie eigentlich Priester werden?“ Die Antwort ist nicht einfach, weil sie letztlich ein Geheimnis ist, das wir selbst nicht wirklich durchschauen. Es ist ähnlich wie mit der Liebe zu einem anderen Menschen. Umso mehr hat mich die Antwort unseres Jubilars in ihrer Schlichtheit und Schnörkellosigkeit beeindruckt: Ich wollte Gott dienen. Damit ist eigentlich alles gesagt. So einfach ist das. Ich glaube, dass es diese Einfachheit und Geradlinigkeit des Denkens ist, die Weihbischof Alfred bis auf den heutigen Tag hilft, die Dinge klar zu sehen und Gelassenheit zu bewahren. Sie schützt davor, sich zu wichtig zu nehmen und atemlos zu werden.
Paulus sagt es im 2. Korintherbrief, aus dem wir eben gehört haben, auf seine Weise, wenn er schreibt: „Wir suchen unsere Ehre darin, ihm (Gott) zu gefallen.“ (2 Kor 5,9) „Gott dienen“ – „Ihm gefallen“: Das meint doch dasselbe. Und darin liegt für die apostolische Nachfolge das entscheidende Kriterium: Das, was wir tun, muss letztlich Gott gefallen, muss in seinem Sinne sein. Dieses Kriterium gibt auch den Kompass dafür ab, worauf es in den Wechselfällen des Dienstes und im öffentlichen Widerstreit der Meinungen ankommt.
Gott zu dienen und ihm zu gefallen suchen, das heißt auch, ihm das letzte Wort über die Dinge und Ereignisse dieser Welt zu lassen, weil ich ihm zutraue, dass er viel mehr bewirken kann, als ich persönlich mir überhaupt vorstellen kann. Das ist ja auch die Haltung des Mannes, von dem Jesus im Evangelium des heutigen Sonntags spricht. Jener Mann, der Samen auf seinen Acker sät, dann schläft und wieder aufsteht und sieht, wie der Samen keimt und wächst, aber der Mann weiß gar nicht recht wie (Mk 4,27). Denn die entscheidende Kraft liegt nicht im Sämann, sondern in der Erde und im Samenkorn. Deshalb dürfen und sollen auch Bischöfe schlafen! Ohne dass ich einem meiner Mitbrüder zu nahetreten will – aber Schlaflosigkeit kann ein Zeichen mangelnden Glaubens sein.
Damit ist natürlich nicht gesagt, dass der bischöfliche Dienst nicht wichtig oder gar unnötig wäre. In der Nachfolge der Apostel sollen die Bischöfe den Samen des Wortes Gottes aussäen. Als Verkündiger sollen sie sich zugleich um gute Aufnahme- und Wachstumsbedingungen für den Samen der göttlichen Botschaft bemühen, so wie es der Bauer auch tut. Vor allem sollen sie in ihrem Dienst nicht kleinlich sein und ängstlich rechnen, ob sich der Einsatz lohnt. Wenige Verse vorher spricht Jesus von den verschiedenen Böden, auf die der Same fällt: Da sind der Weg, der felsige Boden, die Dornen und schließlich das fruchtbare Erdreich (Mk 4,3-8). Obwohl die Erfolgschancen naturgemäß unterschiedlich sind, kritisiert Jesus den Sämann nicht dafür, dass er großzügig mit dem Saatgut umgeht. Die Jünger sollen die Botschaft nicht nur dort verkünden, wo nach ihrer Meinung eine gute Chance dafür besteht, dass die Menschen tatsächlich zum Glauben kommen und aktive Christen werden.
Weihbischof Alfred darf diese Haltung für sich beanspruchen: Denken wir an die ungezählten Predigten, die er gehalten hat, die unzähligen Gespräche, die er in den Gemeinden geführt hat, die Abertausende von Kindern und Jugendlichen, denen er das Evangelium verkündet und das Sakrament der Firmung gespendet hat, ohne kleinlich zu rechnen, ob sich der Aufwand lohnt und er die von uns gewünschte Wirkung bringt – auch wenn er sich das sicher manches Mal gefragt hat. Doch die Antwort darauf sollen und müssen wir dem Herrn selbst überlassen. Je mehr wir es tun, umso gelassener werden wir selbst. Paulus hat recht, wenn er über seinen apostolischen Dienst sagt: „als Glaubende gehen wir unseren Weg, nicht als Schauende“ (2 Kor 5,7)
Lieber Jubilar Alfred, inzwischen lebst du als Bischof bereits 15 Jahre im Ruhestand. Was das bedeutet, kannst Du besser beurteilen und beschreiben als unsereins. Um aber noch einmal im Bild des Gleichnisses aus dem Evangelium zu sprechen: Zwar bist du nicht mehr wie früher in den verschiedenen Regionen unseres Bistums unterwegs, um aktiv den Samen des Wortes Gottes auszusäen. Aber was Dir nicht abhandengekommen ist, das ist Dein Interesse daran zu wissen, wie es um die Saat des Reiches Gottes steht. Und immer wieder ist auch Dein Staunen darüber festzustellen, was da so wächst und sich entwickelt. Das Interesse und das Staunen hast Du auch im Alter nicht verlernt. Wir wünschen Dir, dass Du es Dir bewahren kannst bis zum Schluss. Zugleich ist es gut zu wissen, dass das Bistum, in dem Du als Priester und Bischof so viel unterwegs warst, einen festen Platz in Deinem Herzen und in Deinem Beten hat.
Danke dafür! Herzlichen Glückwunsch und Gottes spürbaren Segen weiterhin!