Lieber Mitbruder Didier,
lieber Rektor Boucher und lieber Curé Mathieu,
liebe Mitbrüder im geistlichen Dienst,
liebe Schwestern und Brüder,
ich danke Ihnen, dass Sie mich zu dieser traditionsreichen Wallfahrt zu Ehren des heiligen Pierre Fourier hierher nach Mattaincourt eingeladen haben. Es ist mir eine Ehre und eine Freude, daran teilzunehmen und in der Homilie jetzt das Wort an Sie richten zu können. Ich freue mich auch, dass ich nicht alleine gekommen bin, sondern dass mich mehrere Domgeistliche aus Trier begleiten. In der Stadt Trier wurde Pierre Fourier vor 430 Jahren zum Priester geweiht. Diese Weihe fand damals in der Kirche statt, die in das alte römische Stadttor, die Porta Nigra, hineingebaut war. Unter Napoleon wurde diese Kirche wieder abgebrochen. Heute lebt das Gedächtnis von Pierre Fourier vor allem in der Kirche weiter, die bis heute den volkstümlichen Namen der Kongregation von Pierre Fourier und Alix Le Clerc trägt, der „Welschnonnen“-Kirche. In der Gestalt des „bon père de Mattaincourt“, wie Pierre Fourier schon zu Lebzeiten genannt wurde, und in unserem Besuch heute hier an seinem Grab leuchtet so die starke Beziehung auf, die uns seit Jahrhunderten miteinander verbindet. Mehr als 1400 Jahre waren das Bistum Trier und die Diözesen Lothringens eng verbunden. Und Dank der europäischen Einigung finden diese Räume heute wieder näher zueinander. So soll dieser Wallfahrtstag heute hier in Mattaincourt auch ein Zeichen dafür sein, dass diese gemeinsamen Lebensräume, die die heutigen nationalen Grenzen überschreiten, auch eine Frucht des christlichen Glaubens und des kirchlichen Lebens waren und wieder stärker werden sollen.
Dass wir heute in Europa gerade auch als Christen über die Grenzen hinweg miteinander verbunden sind, konnte man eindrücklich feststellen, als am Beginn der Karwoche die Kathedrale Notre-Dame in Paris in Flammen stand. Das war ein schlimmes Ereignis für viele Menschen in Frankreich, das aber weit über die Grenzen hinaus Betroffenheit und Solidarität hervorgerufen hat. Die Medien in Deutschland berichten seitdem immer wieder, wie es mit Notre-Dame weitergeht. Erst kürzlich haben wir auch in Deutschland die Bilder sehen können, wie Erzbischof Aupetit zum ersten Mal nach dem Brand wieder eine Heilige Messe in der zerstörten Kathedrale gefeiert hat. Aber die deutschen Medien berichten in diesem Zusammenhang auch über die Situation der Katholiken in Frankreich. In einer der großen deutschen Tageszeitungen (FAZ) war zu lesen, dass dieser verheerende Brand ein neues Bewusstsein unter ihnen entstehen lasse. Im Angesicht der Brandkatastrophe traue man sich trotz aller Krisen und Skandale wieder stärker, seinen Glauben an Jesus Christus zu bekennen, ihn öffentlich zu bezeugen und ihn so auch weiterzugeben an andere: „Aujourd`hui transmets ta foi!“ So sagt es auch das Leitwort der diesjährigen Wallfahrt hier in Mattaincourt.
Aber wie sieht dieses Heute aus? Heute, wie auch damals zu Zeiten von Pierre Fourier, leben wir in Zeiten großer Veränderungen in Politik und Gesellschaft, aber eben auch in unserer Kirche. Und viele dieser Veränderungen erfahren wir als negativ:
Da sind der Brexit und die Frage: Wie geht es weiter mit unserem Europa?
Da sind der Klimawandel und die Frage: Wie geht es weiter mit unserer Erde?
Da sind der Missbrauchsskandal und die Frage: Wie geht es weiter mit unserer Kirche?
Das sind große Fragen, ja gewaltige Herausforderungen für uns alle. Und es gibt andere mehr.
Als Christen sind wir dazu berufen, diese Veränderungen, auch wenn sie uns zuerst einmal Angst machen, mitzugestalten, damit aus ihnen etwas Fruchtbares für die Menschen erwachsen kann, damit so ein Stück mehr des Reiches Gottes im Heute erfahrbar wird. Und wenn wir genau hinsehen, geschieht das schon. Da gibt es die vielen Kinder und Jugendlichen, die sich in der Bewegung „Fridays for Future“ zusammengetan haben. Sie gewinnen Einfluss auf die Politik, dass ernst gemacht wird mit einer zukunftsfähigen Klimapolitik. Da gibt es die Menschen und Gemeinschaften in unserer Kirche, die sich wieder neu auf das Evangelium besinnen und versuchen, ernst zu machen mit einem christlichen Leben. Mit Blick auf die großen Herausforderungen sind es vielleicht zarte Pflänzchen. Aber sie wachsen. Und so gesehen, könnte man das Heute positiv auch als eine Zeit beschreiben, die von einer ungeheuren Dynamik geprägt ist. Inmitten aller Veränderungen wächst Neues und Gutes heran!
In der heutigen Lesung aus dem Buch des Propheten Jesaja hören wir von einer ähnlichen Situation. Das Volk Israel ist noch ganz getroffen von der Zeit des Exils in Babylon; es liegt am Boden. Heimgekehrt in sein Land ist aller Anfang schwer. Der äußere Wiederaufbau und die innere Erneuerung gehen nur langsam voran. Und doch ist die Hoffnung der Menschen groß. Ihr Vertrauen in Gottes Verheißung ist stark: Ihr werdet die Herrlichkeit Jerusalems wieder sehen, sagt der Prophet, „und euer Herz wird jubeln und eure Knochen werden sprossen wie frisches Grün.“ (Jes 66,14) Das Leitwort „Aujourd`hui transmets ta foi!“ greift doch genau diese Erfahrung auf. Wir sehen die gewaltige Aufgabe, den Glauben heute in dieser Zeit zu leben und weiterzugeben. Aber wir sind doch auch davon überzeugt, dass dieser Glaube an Jesus Christus ein gutes Angebot für diese Zeit, für diese Welt, für alle Menschen ist. Ist es nicht das, wofür Notre-Dame im Letzten zu einem „Leuchtfeuer“ geworden ist? Die lebendige Erinnerung an die Kraft des Glaubens, an die „missionarische Entscheidung, die fähig ist, alles zu verwandeln“, wie Papst Franziskus in seinem Schreiben Evangelii Gaudium (Nr. 27) betont.
In dieser missionarischen Entscheidung sendet Jesus seine Jünger aus. Ihm ist bewusst, dass sie auf allerhand Probleme stoßen werden. Aber er weiß auch, dass die Botschaft vom Reich Gottes, die durch glaubhafte Zeugen überbracht wird, fähig ist, diese Welt zu verwandeln. Es hat nach den Jüngern noch viele Frauen und Männer gegeben, die ihren Glauben jeweils neu ins Heute weitergegeben haben. Die geholfen haben, dass die missionarische Entscheidung des Anfangs, diese Welt zum Reich Gottes umzugestalten, weitergetragen und lebendig gehalten wurde. Und einen solchen glaubhaften Zeugen und missionarischen Boten ehren wir heute hier in Mattaincourt: den heiligen Pierre Fourier. Er hat sich als Arbeiter für das Reich Gottes verstanden, so wie Jesus das im Evangelium sagt.
Zwei Punkte sind mir dabei wichtig: Da ist zum einen der große Beter. Die Biographien über ihn berichten ja davon, dass Pierre Fourier oft nächtelang im Gebet verbracht hat. Ihm war bewusst, von wem die Kraft der Verwandlung ausgeht. Und er war zeitlebens bereit, sich selbst vom Evangelium her verwandeln zu lassen. Hier liegt der Grund seiner missionarischen Kraft. Er war offen für Gottes verwandelndes Wort und konnte sich so immer wieder auf Neues einlassen, auch abenteuerliche Wege beschreiten, um die Botschaft vom Reich Gottes zu den Menschen zu bringen.
Und daraus erwächst dann das Zweite, nämlich die Haltung, das, was wir selbst von der Frohen Botschaft verstanden haben, auch zu tun. Pierre Fourier hat durch sein Wirken hier in Mattaincourt und darüber hinaus die Botschaft des Evangeliums verwirklicht: „Das Reich Gottes ist nahe!“ (Lk 10,11) Er war als Seelsorger bei den Menschen, die ihm anvertraut waren. Er hat so ganz konkret gesehen, was nottut, was die Anforderungen des Reiches Gottes im Hier und Jetzt waren: Bildung für die Kinder und spirituelle und wirtschaftliche Hilfen für die Familien und die Armen. Dazu kam seine unermüdliche Hingabe in der Verkündigung und der Feier der Sakramente. Denn er war davon überzeugt, dass darin Gottes verwandelndes Wort im Hier und Jetzt Wirklichkeit wird.
Pierre Fourier wusste um die Dynamik des Reiches Gottes. Er hatte das Vertrauen, dass die zarten Pflänzchen, die er säen konnte, in der Lage sind, wirklich etwas zu bewirken. Sie können diese Welt verwandeln. In all den Veränderungen unserer Zeit in Politik, Gesellschaft und vor allem auch in unserer Kirche kann uns der heilige Pierre Fourier ein guter „Patron der Reform“ sein. Und deshalb wollen wir ihn auch weiterhin um seine Fürsprache anrufen.
„Aujourd`hui transmets ta foi!“ Die beste Weise, das zu tun, lehrt uns das römische Sprichtwort: Verba docent, exempla trahunt – Worte belehren, Beispiele ziehen. Lassen wir uns vom Lebensbeispiel des heiligen Pierre Fourier ziehen. Suchen wir selbst immer wieder nach dem Glauben und hören wir immer wieder auf das Wort der Frohen Botschaft. Was sagt sie uns für unser eigenes Leben? Seien wir offen dafür! Lassen wir uns aber auch anregen, selbst ein Beispiel zu geben, das andere anzieht. So geben wir den Glauben weiter im ganz konkreten Tun an den Menschen, mit denen wir zusammenleben. „Aujourd`hui transmets ta foi!“ Das ist unser Auftrag als Arbeiter in der Ernte Gottes. Amen.