Lieber Weihekandidat Sebastian Kühn, liebe Eltern unseres Weihekandidaten, liebe Mitbrüder im geistlichen Amt, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Seelsorge, liebe Festgemeinde!
Für uns Menschen und zu unserem Heil: Diese Aussage aus dem großen Glaubensbekenntnis, hat unser Weihekandidat sich als Weihespruch ausgesucht. Deshalb findet er sich auch auf unserem Liedblatt, und er will ja so etwas sein wie ein Leitwort, unter das der Neupriester seinen priesterlichen Dienst stellen will. Regens Michael Becker hat schon im Paulinus, unserer Bistumszeitung, dazu lesenswerte Gedanken formuliert. Ich verstehe die Predigt durchaus als Weiterführung seiner Überlegungen.
Denn gerade das Wort Heil ist doch ein Wort, das in unserer Alltagssprache nicht oder ganz selten vorkommt. Es klingt altertümlich, wie ein Wort aus einer anderen Zeit. Am ehesten benutzen wir das Wort Heil, wenn wir davon sprechen, dass eine Tasse oder ein Teller, obwohl sie vielleicht heruntergefallen sind, heil geblieben sind.
Nun ist aber die Rede vom Heil für den priesterlichen Dienst ein wichtiges Wort. Denn es steht in Berührung mit dem Heiligen. Und sagt man nicht vom Priester, er sei ein Mann des Heiligen, sei „Hüter des Heiligen“? Denn das Heilige, ja das Allerheiligste ist ihm in besonderer Weise anvertraut. Aber was ist denn eigentlich das Heilige? Nach dem Verständnis unseres Glaubens ist vor allem und mehr als alles andere Gott heilig. Heilig sein, d. h. in einem ganz ursprünglichen Sinn, unantastbar zu sein. Was heilig ist, das darf nicht angetastet werden. Heilig sein, das heißt auch unverfügbar zu sein. Deshalb ist Gott der Heilige schlechthin: Denn er ist für uns Menschen unverfügbar. Wir können nicht über ihn verfügen. Wir können ihn nicht einspannen für unsere Zwecke. Wir können und dürfen ihn nicht instrumentalisieren. Was heilig ist, ist also nicht zu verzwecken, nicht einfach von uns zu benutzen, steht nicht unserem Belieben zur Verfügung. Deshalb sprechen wir ja auch von der Heiligkeit des Lebens, insbesondere des menschlichen Lebens. Menschliches Leben ist heilig und deshalb unantastbar! Der Mensch hat seinen Zweck in sich, nicht weil und solange er menschlich zu etwas nutze ist. Deshalb treten wir als Christen ja auch so entschieden für die Würde des Menschen ein – nicht nur in den Phasen, in denen er leistungsstark ist und im Vollbesitz seiner Kräfte, sondern gerade auch am Anfang, noch vor der Geburt und am Ende des Lebens, wenn der Mensch wehrlos und auf Hilfe angewiesen ist. Wenn man also sagt, dass der Priester in besonderer Weise ein Mann des Heiligen ist, dann bedeutet das zum einen, dass er Zeugnis geben soll für die Größe und Unverfügbarkeit Gottes. Aber es verpflichtet ihn sozusagen im gleichen Atemzug, einzutreten für die Würde des Menschen, der geschaffen ist nach dem Bild Gottes.
So ist die Sorge um das Heilige eng verbunden mit der Sorge um das Heil: D. h. mit der Sorge darum, dass der Mensch geschützt, bewahrt und unversehrt bleibt. Aber geht das denn überhaupt? Ist dieser Anspruch nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt? Denn welches menschliche Leben ist schon unversehrt, bleibt unverletzt? Kein einziges. Kein menschliches Leben ohne Verletzungen, ohne Enttäuschungen, ohne Brüche (erlittene oder selbst verursachte). Kein menschliches Leben ohne Schuld …
Deshalb klingt beim Wort Heil das Wort Heilung mit, ist Heil für uns Menschen nicht zu verstehen ohne Heilung. Wenn wir im Glaubensbekenntnis sprechen, dass Gott für uns Menschen und zu unserem Heil Fleisch angenommen hat in Jesus Christus, dann geht es ja genau darum, dass Gott kommt, um das zu heilen, was verwundet ist, um zu heilen, was zerbrochen ist. Nicht umsonst sprechen wir von Christus auch als dem Heiland. Er, der Sohn Gottes, der Heilige, beweist seine Heiligkeit gerade dadurch, dass er sich nicht auf sicheren Abstand hält zur Welt, sondern die Kraft hat, alle zu heilen, mit denen er in Berührung kommt und die sich von ihm berühren lassen. Anders gesagt: Der Sohn Gottes verwendet seine Energie nicht darauf, unangetastet und unversehrt zu bleiben. Vielmehr lässt er sich selbst verwunden. Am Ende, am Kreuz, ist er nicht nur tödlich verwundet, seiner Würde beraubt. Am Ende sieht er, der Heilige Gottes aus wie der größte Gotteslästerer und Sünder! (2 Kor 5,21) Das ist die Paradoxie des Heils nach unserem christlichen Verständnis: Der Heilige erlöst die Sünder durch seine radikale Solidarität mit ihnen. Der Heiland bringt uns Heilung, indem er sich selbst verwunden lässt!
Wenn im Evangelium, das wir eben gehört haben, davon die Rede war, dass aus seinem Inneren Ströme von lebendigem Wasser fließen (Joh 7,38), d. h. Wasser, das den Menschen neues Leben geschenkt, dann ist dies doch nur deshalb möglich, weil Jesus bereit war, sich tödlich verwunden zu lassen. Und wir wissen aus dem Ostererzählungen: Die Wundmale verschwinden nicht. An ihnen bleibt der Auferstandene erkennbar (Joh 20,20).
Wo wird dieses Geheimnis sinnenfälliger deutlich und gegenwärtig als in der Eucharistie? Christus in der Gestalt der runden Hostie, die zerbrochen wird, die ihre Ganzheit verliert, um die Bruchstücke und Fragmente unseres persönlich-individuellen Lebens und unserer Gemeinschaft zu einem Ganzen zusammenzufügen.
Dass Gott sich auf diese Weise für uns Menschen und zu unserem Heil engagiert, ja investiert, dafür steht der Priester mit seinem Dienst. Das heißt: Der Priester soll sich nicht scheuen, das fremd klingende Wort Heil in den Mund zu nehmen, ja zum Programm zu machen (wo wir Heutigen uns in der Regel nur „viel Glück“ wünschen und „Gesundheit“ – „Hauptsache Gesundheit!“). Vom Heil zu sprechen, braucht Mut, denn es beinhaltet von Jesus her die Überzeugung, dass auch in dem, was menschlich gesehen pures Unglück ist, Heil liegen kann; das auch aus Brüchen und Schuld Heilung und Heil wachsen können. Das Seufzen der Schöpfung, von dem Paulus eben in der Lesung aus dem Römerbrief gesprochen hat, ist kein resigniertes Stöhnen, sondern Ausdruck der Hoffnung, dass die Welt sich wandelt und heil wird (vgl. Röm 8,23f).
Aber der Priester soll nicht nur ein Mann sein, der das Wort „Heil“ in den Mund nimmt. Er darf Menschen mit diesem Heil in Berührung bringen im Wort, im Sakrament und in der konkreten persönlichen Zuwendung zum Anderen. Dabei braucht und darf er sich nicht selbst mit dem Heilsbringer Jesus Christus verwechseln. Für uns Menschen und zu unserem Heil: das ist zuerst und vor allem eine Aussage über Jesus Christus selbst! Aber der Priester darf mit seinem Dienst und seiner Existenz immer wieder an sie erinnern. Was für ein großartiger Auftrag!