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Spurenleser für die Zeichen Gottes - Predigt zur Priesterweihe 2021

Bischof Dr. Stephan Ackermann hat am 22. Mai im Hohen Dom zu Trier Christian Josef Kossmann und Stephan Schmidt zu Priestern geweiht. Zu Beginn des Gottesdienstes erinnerte der Bischof daran, dass Jesus an Pfingsten seine Jünger in die Welt ausgesandt habe, damit sie ausgestattet mit der Kraft des Heiligen Geistes sein Wort verkünden. „Wir feiern, dass zwei Männer bereits sind, sich senden zu lassen in der Kraft des Auferstandenen. Darüber bin ich froh und dankbar.“

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Wir dokumentieren die Predigt im Wortlaut

Liebe Weihekandidaten, liebe Schwestern und Brüder!

1. Die allermeisten von uns, die wir heute Morgen hier im Dom oder über den Livestream diese Priesterweihe mitfeiern, haben in der ein oder anderen Weise eine Beziehung zu den beiden Weihekandidaten: Das sind an erster Stelle natürlich die Eltern und Geschwister, da sind Freunde und Weggefährten, Heimatpfarrer, Mitstudentinnen und -studenten, Ausbildungsverantwortliche, Mentoren, Menschen aus den Heimatpfarreien oder den Einsatzstellen … Sie kennen die beiden, die hier vor uns sitzen. Sie, wir kennen sie als zwei junge, selbstbewusste Männer, die gerne und überzeugt katholisch sind und heute mit Freude Priester werden.

Dabei stürzen sie nicht wie Abenteurer in diesen Dienst hinein. Hinter ihnen liegen Jahre der theologischen, spirituellen und menschlich-pastoralen Ausbildung und Vorbereitung. Beide sind nicht vom Abitur weg direkt ins Priesterseminar gegangen. Sie haben sich eher Schritt um Schritt angenähert. Gott sei Dank hat die Begeisterung für die priesterliche Existenz in diesen Jahren nicht abgenommen. Sonst wären sie heute Morgen nicht hier.

Ist das nicht eigentlich ein Wunder in der aktuellen Kirchenstunde, in der es so viel Kritik gibt, so viel Diskussion und in der sich an so vielen Stellen Enttäuschung, ja sogar echte Resignation breitmacht …

Schritt um Schritt angenähert

2. Vielleicht ist es kein Wunder im engen Sinn des Wortes eines spektakulären Zeichens. Auf jeden Fall aber ist es ein Zeichen für die Wahrheit von Ostern: Es zeigt, dass Jesus Christus lebendig ist. Sein Wort und sein Beispiel rühren auch heute Menschen im Innersten an, mehr noch: Er tritt in das Leben von Menschen, spricht sie persönlich an, beruft sie, nach seinem Beispiel und mit ihm zu leben.

Damit sind wir bei dem gemeinsamen Weihespruch, den sich die beiden Kandidaten ausgesucht haben und den wir auf dem Liedheft finden: Er geht euch voraus (Mk 16,7). Es ist die Botschaft des Engels an die Frauen am leeren Grab, nachdem er ihnen gesagt hat, dass Jesus auferstanden ist.

Er geht euch voraus!

Wir haben es eben im Evangelium gehört. Es ist übrigens dasselbe Evangelium, das wir zu Beginn der Osterzeit in der Osternacht gehört haben. Die Weihekandidaten wollten ans Ende der Osterzeit ganz bewusst noch einmal dieses Evangelium stellen. Es ist ja so etwas wie die Initialzündung für die Osterzeit, ja für die österliche Erfahrung überhaupt.

3. Er geht euch voraus – ein kurzer, lapidarer Satz. Aber er hat es in sich: Denn er besagt zuerst und vor allem, dass Jesus Christus lebt. Die Frauen waren davon ausgegangen, dass Jesus reglos als Toter im Grab liegt. Der Engel belehrt sie eines Besseren. Und von diesem Augenblick an machen Menschen durch die Geschichte hindurch bis heute immer wieder die Erfahrung, dass Jesus nicht bloß eine inspirierende Figur der Geschichte ist, sondern sich selbst immer wieder bemerkbar macht, selbst an Orten, an denen man nicht mit ihm rechnet.

Wo wir hinkommen, ist er bereits da.

Damit hängt die zweite Bedeutung des kurzen Satzes vom Ostermorgen zusammen. Sie ist gerade für Menschen in der Seelsorge besonders bedeutsam. Wenn es nämlich stimmt, dass Jesus den Jüngern vorausgeht, dann müssen wir immer damit rechnen, dass dort, wo wir hinkommen, er bereits da ist.

Nun könnte man sagen, dass dies für Kapläne ohnehin gilt: Denn dort, wo sie hinkommen, in die Pfarreien, ist der Glaube und mit ihm Jesus Christus ja längst und seit vielen Generationen schon da. Es wäre regelrecht überheblich zu denken: „Jetzt komme ich, um den Menschen endlich einmal den Glauben zu bringen.“

Oder müssen wir davon ausgehen, dass die Situation inzwischen doch sehr anders ist, wenn wir an den sinkenden Wasserpegel des Glaubens in unseren Pfarreien denken …? Wie oft haben Seelsorgerinnen und Seelsorger den Eindruck, sie befinden sich im Missionsland: Die Menschen, obwohl getauft und in einer langen christlichen Tradition stehend, wissen von Christus so gut wie nichts. Gilt da der Satz, dass Jesus den Jüngern immer vorausgeht, nicht mehr?

Doch, er gilt: Der lebendige Christus ist da, aber womöglich in verborgener Weise, d. h. in einer Weise, dass es den Menschen vor Ort selbst nicht mehr bewusst ist: Er ist da in ihren Fragen, in ihrer Sehnsucht nach einem sinnvollen Leben, nach Verständnis, nach Heilung … Er ist da in Gestalt der Armen und Bedürftigen, die auf Zuwendung und Hilfe warten …

In all diesen verschiedenen Weisen seiner Gegenwart will er entdeckt werden. Dazu braucht es Menschen, die ein Gespür für ihn haben, die ihn kennen, mit ihm vertraut sind, die das ins Wort heben können, was die Menschen vor Ort vielleicht nur undeutlich spüren. Insofern bleibt es wahr: Er geht euch voraus. (vgl. auch Apg 18,10)

Er ist eurem Denken voraus

Und es steckt in diesem Satz noch mehr. Er geht euch voraus, heißt auch: Er ist eurem Denken voraus. Er übersteigt eure gewohnten Denkmuster. Er ist auch euren kühnsten Träumen voraus. Die Jünger haben es vor und nach Ostern erlebt.

Der Messias kommt ganz anders, als erwartet: viel unscheinbarer, als Freund der Zöllner und Sünder; als der, der wie wir Menschen den Tod erleidet und ihn gerade dadurch besiegt; als der, der ohnmächtig ist und zugleich mächtiger als jede Macht der Welt. Er ist zur Überraschung der Jünger derjenige, der seinen Geist allen schenkt, die sich ihm öffnen, nicht nur den frommen Juden.

Auf Überraschungen gefasst machen

Ich glaube, dass gerade wir in unserer Zeit uns das bewusst machen und bewusst halten müssen: Er, Jesus, ist uns und geht uns voraus. Deshalb können wir den beiden Weihekandidaten nur zu ihrem Weihespruch gratulieren. Aber, liebe Mitbrüder, bedenkt: Dieser Spruch hat es wirklich in sich! Ihr dürft und müsst Euch auf Überraschungen gefasst machen. Wir dürfen und müssen uns auf Überraschungen gefasst machen.

Unsere Aufgabe ist es, wach und beweglich zu bleiben für die Zeichen, die er uns gibt: durch andere Menschen; durch das, was sich in uns selbst regt; durch das, was wir erleben und auch erleiden.

Wie oft werden wir wohl noch das Wort hören müssen: Er ist nicht mehr hier, obwohl wir es gedacht hatten … „Er ist weitergegangen. Geht ihm nach. Sucht ihn, dann wird er sich euch zeigen. Folgt seinen Spuren!“

Spurensucher, Spurenleser sein – das könnte eine Beschreibung für Priester und andere Seelsorgerinnen und Seelsorger in unserer Zeit sein. Wir sollen das nicht alleine tun, sondern zusammen mit allen Getauften.

Spurensucher und Spurenleser sein

4. Aber all das, was uns an innerer Beweglichkeit und Aufmerksamkeit für die Zeichen des lebendigen Christus abverlangt wird, steht unter der Verheißung, die wir aus dem Buch des Propheten Jesaja gehört haben. Es ist das Versprechen Gottes an sein Volk: Mögen auch die Berge weichen und die Hügel wanken – meine Huld wird nicht von dir weichen und der Bund meines Friedens nicht wanken, spricht der Herr, der Erbarmen hat mit dir. (Jes 54,10)

Der Bund, von dem der Prophet Jesaja spricht, ist eben jener Bund, den Jesus mit seinem Blut besiegelt hat. Diesen Bund dürfen und sollen gerade wir Priester mit unserem Dienst und unserem Leben immer wieder verkünden.

Amen.

Weiteres:

Priesterweihe 2021

in der Predigt