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Predigt von Bischof Dr. Stephan Ackermann zur Diakonenweihe 2021 im Bistum Trier

Eintreten für ein Mehr an Güte und Zuwendung

Bischof Dr. Stephan Ackermann hat am 19. Juni im Hohen Dom zu Trier Harald Braun und Christian Dahlke zu Ständigen Diakonen geweiht. Zu Beginn des Gottesdienstes betonte der Bischof mit Bezug auf das Abschlussdokument der Trierer Diözesansynode, dass sich die Kirche von Trier verpflichtet sehe, Kirche an der Seite der Menschen zu sein. Dafür brauche es Menschen, die diakonisch handeln und die Theorie in die Tat umsetzen. „Ich freue mich, dass heute zwei Männer sagen: Für diesen Dienst will ich mich mehr noch als bisher und im offiziellen Auftrag der Kirche senden lassen.“

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Wir dokumentieren die Predigt im Wortlaut

Liebe Weihekandidaten, liebe Familien der beiden Kandidaten,

liebe Weggefährten und Freunde, liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

1. Mit der heutigen Diakonenweihe geht eine Zeit jahrelanger Vorbereitung auf diesen Dienst zu Ende. Vieles haben die beiden Weihekandidaten „gelernt und angenommen“, um die Formulierung des Apostels Paulus aus dem Philipperbrief aufzugreifen, die sich die Kandidaten auch als Weihespruch gewählt haben: Theologische Inhalte waren zu lernen, spirituelle Traditionen und Formen aufzunehmen, Lernschritte in der pastoralen Praxis zu absolvieren.

Einerseits galt es, sachliche Inhalte aufzunehmen, aber hinzu kam sicher auch das, was der Apostel meint, wenn er sagt: „Was ihr an mir gesehen habt“.

Lernen von und durch Personen

Lernen, das wissen wir, ist nicht nur das Lernen von Sachinhalten, sondern auch das Lernen von und durch Personen. Das gilt gerade für den Glauben: Wichtiger als alle Bücher sind für den Glauben die Personen. Daher ist ja auch persönliche Glaubwürdigkeit in der Kirche ein solch hohes, ja unverzichtbares Gut. Gott sei Dank konnten die Weihekandidaten glaubwürdigen Menschen begegnen, sonst wären sie jetzt nicht hier.

Aber die beiden Weihekandidaten wollen nicht stehen bleiben bei dem, was sie gelernt und angenommen haben, sie sind bereit, es nun auch tun. Genau dazu ruft der Apostel auf wenn er den Christen in Philippi schreibt: Was ihr gelernt und angenommen, gehört und an mir gesehen habt, das tut! (Phil 4,9a) Mit anderen Worten: Bleibt mit dem, was ihr gelernt und erfahren habt, nicht in der Theorie, nicht bei schönen Überlegungen, sondern kommt zum Handeln!

Wahrhaftigkeit, Edelmut, Lauterkeit, Liebenswürdigkeit

2. Paulus zählt sehr konkret auf, was er sich darunter vorstellt: Natürlich gehört für ihn dazu an erster Stelle das Gebet „in jeder Lage“, d. h.: Bringt alles mit Gott in Verbindung, schließt nichts aus. Nehmt alles in euer Gebet und damit in den Raum der Beziehung zu Gott auf.

Dann mahnt der Apostel: „Was immer wahrhaft, edel, recht, was lauter, liebenswert, ansprechend ist, was Tugend heißt und lobenswert ist, darauf seid bedacht!“ (Phil 4,8)

Ist es nicht interessant, dass der Apostel hier eigentlich keine explizit christlichen Haltungen und Eigenschaften aufzählt, sondern das, was allgemein in den Augen der Menschen schätzenswert ist: Wahrhaftigkeit, Edelmut, Lauterkeit, Liebenswürdigkeit …

Sollte man nicht denken, dass von Christen mehr erwartet wird? Erst recht von Amtsträgern? Ja, das ist richtig. Es wird von ihnen mehr erwartet. Aber was nutzt es mir, wenn jemand die anspruchsvollsten Botschaften verkündet, vielleicht ein exzellenter Prediger oder Organisator ist, es aber im Umgang an menschlichen Qualitäten fehlen lässt, etwa ein Ekel ist?!

Das menschliche Zeugnis

Hier kommt das schlichte menschliche Zeugnis ins Spiel. Nach Paulus verlangt das nichts Unmögliches, sondern setzt auf ganz grundlegende menschliche Qualitäten: Wahrhaftigkeit, Lauterkeit, Liebenswürdigkeit … Noch einmal: Wir wissen, wie entscheidend die menschliche Vermittlung für die Botschaft des Glaubens ist.

Und: Wir wissen, wie wohltuend es gerade auch in unserer heutigen Welt ist, wenn Menschen uns mit Freundlichkeit, Aufrichtigkeit, Verlässlichkeit begegnen, wo es insgesamt so viel Ungeduld, Aggressivität, den Verlust von guten Umgangsformen gibt (denken wir etwa an die sozialen Netzwerke, in denen es viel a-soziales Verhalten gibt …).

Ich denke mir, dass hier unsere Diakone einen ganz wichtigen Dienst leisten, der gar nicht in spektakulären pastoralen Aktionen besteht, sondern in dem aufrichtigen Interesse am Anderen, in der echten menschlichen Zuwendung – da, wo sie ausdrücklich als Diakon unterwegs sind, aber auch in ihrem zivilen Beruf.

Eine Antwort aus dem Evangelium

3. Liebe Schwestern und Brüder! Wird von Christen, zumal von solchen, die in der Kirche ein Amt bekleiden, nicht mehr erwartet als rein menschliche Qualitäten, so hatte ich eben schon gefragt. Eine markante Antwort auf diese Frage gibt uns das Evangelium, das wir übrigens deshalb gehört haben, weil wir heute in unserem Bistum den Gedenktag der sel. Mutter Rosa Flesch, der Gründerin der Waldbreitbacher Franziskanerinnen, begehen. In diesem Evangelienabschnitt werden von Jesus Ansprüche formuliert, die weit über das normale Maß menschlicher Qualitäten hinausgehen:

  • die Feinde zu lieben;
  • denen Gutes zu tun, die uns hassen;
  • die zu segnen, die uns verfluchen;
  • für die zu beten, die uns misshandeln;
  • nicht nur die eine, sondern auch noch die andere Wange hinzuhalten usw.

All das scheint im Unterschied zu Paulus geradezu überzogen und unrealistisch. Doch, denkt man näher darüber nach, dann geht einem auf, dass diese Weisungen Jesu wahrscheinlich das einzig Realistische sind, was uns in einer Welt helfen kann, in der so viel Gewalt, Ungerechtigkeit und Böses an der Tagesordnung ist.

Ein Mehr an Güte - ein Mehr an Zuwendung - ein Mehr an Verständnis füreinander

Darauf hat Papst Benedikt XVI. einmal sehr eindrücklich hingewiesen: Wir werden keine Veränderung zum Guten bekommen, wenn wir uns nur auf das Notwendige beschränken; wenn wir nur gerade so viel einsetzen, um die Waagschale des Bösen auszugleichen. Nein, es braucht ein Übergewicht an Gutem, um überhaupt eine Änderung herbeizuführen. Das gilt im großen Maßstab des Zusammenlebens der Völker, aber auch in unserem persönlichen Zusammenleben. Eine wirkliche Veränderung zum Positiven kommt nur durch ein Mehr an Güte und nicht dadurch, dass wir nur das Geforderte geben.

Von daher versteht man auch besser die Aufforderung Jesu, für diejenigen zu beten und diejenigen innerlich zu segnen, die uns verfluchen. In der Regel beten wir für die, die uns am Herzen liegen, bitten wir für sie um den Segen. Das ist unsere normale Empfindung. Aber Jesus hat vollkommen recht: Das reicht nicht.

Wer um den Segen Gottes für seine Gegner bittet (der muss sie nicht sympathisch finden!), der bittet darum, dass sich Gottes Segen positiv auf den Anderen auswirkt. Denn Gottes Segen kann verändern, kann das Herz erweichen, kann Verhärtungen und Aggressionen lösen, wo wir Menschen das nicht können.

Damit der Auftrag nicht zur Überforderung wird

Liebe Weihekandidaten: Eintreten für das Mehr als Notwendige, eintreten für ein Mehr an Güte, ein Mehr an Zuwendung, ein Mehr an Verständnis füreinander, damit sich unsere Welt und unser Zusammenleben zum Besseren verändert, das ist die Chance und der Auftrag der Diakone.

4. Diese Chance und dieser Auftrag würden aber auf Dauer zur permanenten Überforderung, wenn wir nicht das glauben dürften, was auf dem Titelbild des Liedheftes dargestellt ist: Die Ikone zeigt den dreifaltigen Gott, der aber nicht über den Menschen schwebt, im Gegenteil: Der Mensch – nackt dargestellt in all seiner Ungeschütztheit und Bedürftigkeit –, ist hineingenommen in den Raum des dreifaltigen Gottes selbst. Der Mensch hat Platz in Gott: Der barmherzige Vater greift dem verlorenen Sohn unter die Arme (Lk 15,20). Der Sohn Jesus wäscht dem Sünder die Füße (Joh 13,6ff). Diese beiden Gesten sind Ausdruck der göttlichen Liebe, des gemeinsamen Geistes, der dargestellt ist in der Gestalt der feurigen Taube.

Was ihr gelernt und angenommen... - das tut!

Liebe Mitbrüder Weihekandidaten, mit Eurem Weihespruch sage ich Euch:

Was ihr gelernt und angenommen, was Ihr von Gott gehört und an ihm gesehen habt, das tut! Und: Seid gewiss, dass er selbst es immer wieder tut – an Euch! Er zieht Euch in den Raum seiner Liebe. Er tut es auch jetzt in der Gnade der Weihe.

Amen.

Weiteres:

Ständige Diakone 2021

in der Predigt