Bischof Dr. Stephan Ackermann hat am 25. Juni im Hohen Dom zu Trier Dr. Veit Ulrich Leo Engst zum Ständigen Diakon geweiht. Nach zwei Jahren pandemiebedingt kleinem Rahmen für die Diakonenweihen hat sich am 25. Juni eine große Schar von Gläubigen zu einem „Fest des Glaubens“ im Trierer Dom versammelt. Wie in der Weiheliturgie an zwei Stellen vorgesehen, bezeugten die Gäste, dass Gott den Kandidaten Dr. Veit Ulrich Leo Engst aus Wißmannsdorf in der Eifel in seinen Dienst als Ständiger Diakon berufen hat. Dieses Handeln Gottes an dem Menschen stehe im Mittelpunkt der Feier zur Weihe, erklärte Bischof Dr. Stephan Ackermann zu Beginn des Gottesdienstes.
1 Kön 19,16b.19-21/ Lk 9,51-62 (13. So im Jahreskr. C)
Liebe Schwestern und Brüder!
1. Unser Weihekandidat Veit Engst hat sich die biblischen Lesungen, die wir gerade gehört
haben, ausgewählt. Es sind die Schrifttexte vom morgigen Sonntag, aber sie passen natürlich
auch zu einem Anlass wie der Diakonenweihe. Denn es geht um das Thema der Nachfolge.
Sind es gute, bestärkende Texte für einen solchen Anlass? Laden sie zur Nachfolge ein oder
schrecken die Worte Jesu in ihrer Radikalität nicht eher von der Nachfolge ab? Wenn Jesus
dem, der sich ihm anbietet nachzufolgen, gleich sagt, dass er bereit sein muss, ein
unbeheimatetes Wanderleben zu führen. Dem zweiten, der bereit ist, aber noch den Vater
begraben will, sagt er: Lass die Toten, die Toten begraben, du aber folge mir nach (Lk 9,60).
Und nochmals bietet sich einer an, mitzugehen, will aber noch von der Familie Abschied
nehmen. Auch das erlaubt Jesus nicht mit dem Hinweis auf das Bild vom Pflug... Was für
eine erschreckende Kompromisslosigkeit, müsste man nicht sogar sagen:
„Rücksichtslosigkeit“? Denn es heißt ja, nicht mehr zurückzublicken. Wie soll man da Freude
am Christsein bekommen?
Und: Stimmt dann überhaupt das, was wir heute Morgen hier tun? Denn von unserem
Weihekandidaten wird nicht verlangt, dass er sein Haus aufgibt, um keinen Ort mehr zu
haben, wo er „sein Haupt hinlegen“ kann, d. h. wohin er sich zurückziehen und erholen
kann. Und es wird auch nicht von ihm verlangt, dass er von seiner Familie Abschied nimmt.
Im Gegenteil, nachher werde ich ausdrücklich auch seine Frau fragen, ob sie bereit ist,
seinen Dienst als Diakon mit zu unterstützen.
Haben wir damit das Wort Jesu um seine Kraft gebracht? Oder ist es wirklich nur ein Wort
für ganz ausgewählte Personen, die in dieser Radikalität die Nachfolge eingehen, etwa als
Ordensleute? Warum aber wird es dann an diesem Sonntag allen, die am Gottesdienst
teilnehmen, vorgetragen?
2. Vielleicht verstehen wir besser, worum es geht, wenn wir im Evangelium auf das Beispiel
schauen, das für uns am unverständlichsten und am meisten anstößig ist. Es ist das Beispiel
des jungen Mannes, der zu Jesus sagt: Lass mich zuerst heimgehen und meinen Vater
begraben. Die Bitte ist doch wirklich nachvollziehbar und ehrenwert. Nun muss man wissen,
dass es in Israel bei der Wendung: Lass mich meinen Vater begraben um mehr ging als um
die Regelung einer Bestattung. Es ist ja auch nicht die Rede davon, dass der Vater bereits
verstorben ist. Der junge Mann bittet Jesus, den Vater bis zum Tod zu pflegen, um dann zu
kommen. Und: In Israel war es üblich, dass der Sohn erst dann wichtige Entscheidungen
ohne seinen Vater traf, wenn dieser tot war. Also ist dieses Abschiednehmen nicht eine
Sache weniger Minuten, sondern gemeint ist wohl ein schrittweises Sich-Zurückziehen aus
den ererbten und entstandenen Bindungen. Und nun verstehen wir, worin die Gefahr liegt:
Nämlich in der eigenen Familiengeschichte hängen zu bleiben und den Schritt in die
Nachfolge Jesu zu verpassen.
Es geht hier also nicht um ein paar Stunden, die dieser Mann früher oder später zu Jesus
stößt. Nein, es geht um die Gefahr, das Leben nach dem Evangelium, das Leben im Sinne
Gottes, überhaupt das Leben des Glaubens auf die lange Bank zu schieben und es nie
konkret werden zu lassen.
Und die Gründe dafür klingen oft sehr plausibel, ja regelrecht edel: Man sagt sich, „um den
Glauben zu leben, muss ich wirklich frei sein, äußerlich und innerlich. Dazu muss ich noch
manche Dinge ordnen und Fragen, die da sind, klären; Zweifel ausräumen. Im Moment ist
noch nicht der Zeitpunkt, aber der kommt sicher noch …“
3. Liebe Schwestern und Brüder, wir wissen, dass diese Gefahr real ist für die großen
Entscheidungen unseres Lebens wie etwa die, sich weihen zu lassen. Oder etwa auch im
Blick auf die Wahl eines Berufs, die Wahl für eine lebenslange Partnerschaft … Gerade heute
wird es offensichtlich immer schwieriger, definitive Entscheidungen zu treffen und vor allem
den richtigen Zeitpunkt dafür zu finden, ohne dass es irgendwann zu spät ist. Genau darum
geht es Jesus mit seiner Warnrede an die Menschen, die ihm begegnen.
Aber die Gefahr gibt es auch für die kleinen Entscheidungen unseres Alltags:
Und so – unmerklich – verschiebt sich der Entschluss, mit dem Evangelium ernst zu machen
von Tag zu Tag, und der Glaube wird nicht wirklich konkret. Umso wichtiger ist es, sich dem
Wort Jesu immer wieder auszusetzen und sich immer wieder auch kritisch hinterfragen zu
lassen, egal ob ich in der Kirche ein Amt bekleide oder als Getaufter mein Leben in Familie
und Beruf gestalte.
4. Lieber Weihekandidat, liebe Schwestern und Brüder, schauen wir zum Schluss noch kurz
auf die Lesung aus dem 1. Buch der Könige, die davon berichtet, wie der große Prophet Elija
den jungen Elischa als seinen Nachfolger beruft:
Elischa, reicher Bauernsohn, pflügt mit den Knechten auf dem Feld. Da kommt Elija und wirft
im Vorbeigehen seinen Prophetenmantel über ihn, eine eigentümliche und ausdrucksstarke
Geste: Eine Geste der Besitzergreifung für den Dienst als Propheten. Elischa spürt dies,
verlässt die Rinder, bricht mit seinem bisherigen Leben und gibt noch ein Abschiedsmahl.
Aber der Überwurf des Mantels ist nicht nur Besitzergreifung, sondern auch Zeichen von
Segen und Schutz. Denn gerade der Mantel war in Israel für die Menschen, die kein festes
Zuhause hatten (wie etwa die Propheten) faktisch ihr Haus, das sie vor Kälte und anderen
Gefahren schützte.
Eine Diakonenweihe geschieht nicht im Vorbeigehen, sie ist mit einer längeren Feier
verbunden … Aber das entscheidende Zeichen, die Handauflegung, ist auch ein Zeichen, das
unscheinbar, leicht übersehbar ist, vor allem, weil es im Schweigen geschieht. Und auch in
ihm geschieht sowohl Besitzergreifung, denn Gott legt durch diese symbolische Geste die
Hand auf das Leben eines Menschen, um ihn in Dienst zu nehmen. Aber die Handauflegung
ist auch Zeichen von Segen und Schutz: Der Weihekandidat soll wissen, dass Gott seine
schützende Hand über seinen Dienst und seinen Weg hält, damit er diesen Weg gehen kann
zum Segen für andere.
In diesem Sinn wollen wir jetzt in die Weihehandlung eintreten und darum bitten, dass Gott
selbst an Veit Engst handelt.