Weihbischof Franz Josef Gebert hat am 31. August 2019 zwei Gemeindereferentinnen, vier Pastoralreferentinnen und einen Pastoralreferenten für den pastoralen Dienst im Bistum Trier beauftragt: Alina Liesch aus Simmern, Cristina Patrasc aus Bacau/Rumänien, Katrin Altmaier aus Nalbach-Piesbach, Raphael Collinet aus Dierdorf, Theresa Heinz aus Waldrach, Lisa Lorsbach aus Saarbrücken und Carina Rui aus Emmersweiler. Ab 1. September werden sie ihren Dienst an den neuen Einsatzorten antreten.
„Wann haben Sie zum letzten Mal etwas zum ersten Mal gemacht?“ Mit dieser Frage eröffnete der damalige Generalvikar Georg Bätzing im Frühsommer 2016 die Predigt in der sogenannten Theo-Messe, um uns anschließend über die zentralen Ergebnisse der Synode zu informieren. Wer so fragt, will im besten Sinne des Wortes provozieren, will seine Zuhörer herausrufen aus vertrauten Sicherheiten und dem gewohnten Alltagstrott. Mit dieser Frage hat Georg Bätzing zugleich in das Leitmotiv der Trierer Synode mit dem Abschlussdokument „heraus gerufen. Schritte in die Zukunft wagen“ eingestimmt.
Am Samstag, dem 31. August, wird Weihbischof Franz Josef Gebert zwei Gemeindereferentinnen sowie vier Pastoralreferentinnen und einen Pastoralreferenten für den pastoralen Dienst beauftragen. Dabei wird die provozierende Frage von Georg Bätzing von damals wieder im Raum stehen.
Denn die Beauftragung erfolgt unmittelbar vor dem nächsten Meilenstein der Synodenumsetzung, der Errichtung der ersten 15 von 35 Großpfarreien zum 1. Januar 2020. Mit ihrem Bereitschaftsversprechen bringen die neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Willen zum Ausdruck, sich in den Dienst des Bistums zu stellen. Daher ist ihr Versprechen, das sie in Solidarität mit dem Volk Gottes und in Loyalität mit dem Bischof ablegen, alles andere als selbstverständlich!
Denn der Weg, der vor unserer Kirche liegt, ist und bleibt ein Wagnis. Noch kann keiner sagen, wohin die Reise gehen wird, wie sich die Profile der pastoralen Berufe in den kommenden Jahren weiterentwickeln werden, ob und wie das Miteinander zwischen Priestern, Diakonen, Gemeindereferentinnen und -referenten sowie Pastoralreferentinnen und -referenten in den neuen Räumen und die Kooperation von Caritas und Seelsorge gelingen wird. Ob es zu einem Mehr an einem geistlichen Miteinander oder zu einem Mehr an Konkurrenz kommen wird, ist noch ungewiss.
Wer für den pastoralen Dienst beauftragt und gesendet wird, folgt der Spur dessen, der damals die Jünger heraus gerufen hat, aus ihrem Alltag, aus ihren Sicherheiten, aus ihrer vertrauten Umgebung. Alle Evangelien legen davon ein beredtes Zeugnis ab. Vor allem Lukas hat das Motiv vom neuen Weg als Weg in die Nachfolge Jesu entfaltet. Beispielhaft sei die Geschichte vom barmherzigen Vater (Lk 15, 11–32) und die Emmauserzählung (Lk 24, 13–35) erwähnt. Nicht von ungefähr bezeichnet die Apostelgeschichte die gläubig gewordenen Christen als „Menschen des neuen Weges“ bzw. des Weges Jesu (vgl. Apg 19, 23; 24, 14). Insofern knüpft die provozierende Frage von Georg Bätzing an eine uralte Tradition an. Seit den Anfängen des Christentums erkennt man Christinnen und Christen daran, dass sie sich von Gott herausrufen lassen, sich auf das Wagnis des neuen Weges einzulassen.
Das Zweite Vatikanische Konzil hat sich von diesem Motiv so sehr inspirieren lassen, dass es die Kirche selbst als pilgerndes Volk Gottes bezeichnete. Zugleich markieren die Konzilsdokumente Eckpunkte für eine neue Epoche der Kirchen- und Menschheitsgeschichte. Gegenwärtig erinnert sich die Kirche in unserem Land wieder an dieses Kirchenbild, denn die Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken haben zu einem „synodalen Weg“ eingeladen. In diesem Verständigungsprozess werden sie erfahren, wie mühsam und beglückend zugleich es sein kann, als pilgernde Kirche unterwegs zu sein: Immer wieder aufbrechen und darauf hoffen, Aufnahme zu finden, sich in Sackgassen verirren und die Spuren der Gegenwart Gottes entdecken, sich auf dem Weg als sündige und heilige Kirche wahrnehmen …
Vor diesem zeitgeschichtlichen Horizont bewundere ich den Mut, sich als Gemeinde- und Pastoralreferent für die pilgernde Kirche von Trier beauftragen zu lassen.
„Wann haben Sie zum letzten Mal etwas zum ersten Mal gemacht?“ – Vor 30 Jahren durfte ich eine Erfahrung machen, die sich tief in meine Lebensgeschichte eingeschrieben hat. Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer, und die Deutsche Einheit wurde Wirklichkeit. Wie durch Zufall habe ich diesen Tag damals als Teilnehmer einer Jugendseelsorgekonferenz in Thüringen in der damaligen DDR erlebt. Seither gehört dieses Ereignis für mich zu den herausragenden Beispielen, dass ein Neubeginn gelingen kann. Dazu passt ein Gedicht, das in der DDR im Sommer 1989 wenige Wochen vor der Wende entstanden ist. Der evangelische Pfarrer Klaus Peter Hertzsch hat es für die Hochzeit seines Patenkindes gedichtet und dem jungen Paar geschenkt. Seine Vision vom Vertrauen in den Neubeginn mit Gott ist mit dem Fall der Berliner Mauer wahr geworden. Aus diesem Gedicht möchte ich eine Strophe zitieren als Zuspruch für die neuen pastoralen Mitarbeiterinnen und den Mitarbeiter:
„Vertraut den neuen Wegen und wandert in die Zeit! / Gott will, dass Ihr ein Segen für seine Erde seid. / Der uns in frühen Zeiten das Leben eingehaucht, / der wird uns dahin leiten, wo er uns will und braucht.“
Mit der Beauftragung wird zugleich den Christinnen und Christen in Erinnerung gerufen, dass Christus uns alle herausruft, mit ihm Schritte in die Zukunft zu wagen, sensibel für die Themen der Menschen und offen für die Zeichen der Zeit.
Von Martin Lörsch, Professor für Pastoraltheologie an der Theologischen Fakultät Trier
Diesen Artikel lesen Sie in der Print-Ausgabe der Wochenzeitung "Paulinus" vom 25. August 2019.