... geht zurück auf Odilo von Cluny; der war Abt des damals bedeutendsten französischen Klosters. Am 2. November 998 soll er zum ersten Mal das Fest aller Seelen begangen und danach für alle Klöster seines Ordens angeordnet haben. Schon acht Jahre später wurde es von Papst Johannes XVIII. als 'allgemeines Seelengedächtnis' der Kirche eingeführt. Im Kalender des Kirchenjahres ist das Fest wie ein Christus-Hochfest eingeordnet, das bedeutet, dass im Falle eines Zusammentreffens seine Gebets- und Lesungstexte Vorrang vor denen des Sonntags haben.
Der christliche Glaube ist von der Hoffnung getragen, dass wir nach unserem Tod das Angesicht Gottes schauen dürfen. Als Menschen sind wir aber in die Verstrickungen und oft auch bösen Machenschaften dieser Welt eingewoben, manchmal sogar auch selbst aktiv daran beteiligt. So hat sich schon sehr früh in der Kirche die Lehre herausgebildet, dass dieser Anschauung Gottes eine Reinigung von den Schulden vorhergeht, die man auf sich geladen hat. Entsprechend würden die Seelen zunächst in einem Reinigungsort, dem Purgatorium, verweilen, der volkstümlich »Fegefeuer« genannt wird. Der Kult an Allerseelen war dadurch über viele Jahrhunderte hinweg von der Vorstellung geprägt, dass die Lebenden den Verstorbenen helfen könnten, den Reinigungsort früher zu verlassen und in die unverlierbare Anschauung Gottes zu gelangen. Gemäß der Ermahnung "Einer trage des anderen Last" (Brief an die Galater, Kapitel 6, Vers 2) könne das, was ein Lebender Gutes tue, dem Verstorbenen zugerechnet und ihm damit Genugtuung verschafft werden.
Wie Allerheiligen drückt auch Allerseelen aus, dass in der Gemeinschaft der Kirche die Getauften miteinander in Christus verbunden sind. Diese Verbundenheit ist grenzüberschreitend und schließt auch diejenigen ein, die gestorben sind. Die Lichter, die in den Nächten um Allerseelen auf den Gräbern der Verstorbenen leuchten, drücken diese Verbundenheit aus. (Sie sind Zeichen des Andenkens, des Dankes und des Wunsches, dass mit den Verstorbenen alles gut sein möge.) Mit dem Treffen an Allerseelen laden wir ein, die Verbundenheit mit den Verstorbenen, die uns etwas bedeutet haben, konkret zu benennen und bewusst zum Ausdruck zu bringen.
Jede Familie bringt Erinnerungsstücke oder Fotos von Familienangehörigen oder Freunden mit, die bereits verstorben sind.
Sie benötigen:
Alle versammeln sich um den Tisch oder im Stuhlkreis. In der Mitte liegt ein größeres einfarbiges Tuch (eher in einer dunkleren Farbe), darauf steht die Jahreskerze. Nachdem die Kerze angezündet wurde, singen Sie zusammen das Lied: Du sei bei uns (Liederbuch "Unterwegs 127).
Danach führt eine Erwachsene ein:
"Wir haben uns am Fest Allerseelen getroffen, um besonders an die Menschen aus unserer Familie und unserem Freundeskreis zu denken, die bereits verstorben sind. Wir wollen uns gegenseitig von ihnen erzählen und dann später noch gemeinsam zum Friedhof gehen."
Eine Erwachsene leitet über:
"Wenn Menschen sterben, die wir lieb gehabt haben, dann sind wir sehr traurig. Es tut gut, wenn wir uns immer wieder an diese Menschen erinnern und anderen von ihnen erzählen. Dann sind sie ganz nahe bei uns. Wir wollen uns jetzt gegenseitig die Erinnerungsstücke oder die Fotos unserer verstorbenen Freunde oder Familienmitglieder zeigen und ein wenig von ihnen erzählen. Als Zeichen dafür, dass sie ganz eng mit uns verbunden sind, können wir dann das jeweilige Foto oder den Gegenstand in die Mitte legen und an unserer Jahreskerze ein Teelicht entzünden, das wir zu dem Foto/Gegenstand stellen."
Wenn alle Erinnerungsstücke in der Mitte liegen, können Sie noch einmal den Kanon 'Du sei bei uns' singen.
Eine Erwachsene erläutert:
"Es tut gut, wenn wir uns gegenseitig von Menschen aus unserer Familie oder dem Freundeskreis erzählen, die bereits verstorben sind. Ihr Kinder kennt oft die Omas, Opas, Onkel, Tanten, Freunde und Freundinnen gar nicht, von denen wir Eltern erzählen. Als 'Gedächtnisstütze' gestaltet dazu nun jede Familie für sich einen Stammbaum, in dem die verstorbenen Familienmitglieder besonders hervorgehoben werden (evtl. auch durch ein Foto oder ein kleines Erinnerungsstück). Natürlich sollen dort auch die verstorbenen Freunde einen Platz finden. Schaut einfach, wie und wo ihr sie in eurem Bild zuordnen wollt. Welcher Person standen sie am nächsten?"
Jede Familie erstellt in Ruhe auf einem Plakat einen Stammbaum. Dabei kann auch eingetragen werden, was die Verstorbene besonders gut konnte, was die heute Lebenden besonders an ihr schätzten. Wenn alle fertig sind, stellen Sie sich die Bilder gegenseitig vor. Anschließend werden die Plakate zur Jahreskerze gelegt. Dabei kann jede Familie nochmals den/die Namen der Verstorbenen nennen, an die sie jetzt beim Stammbaum malen besonders gedacht hat, und ein Teelicht an der Jahreskerze anzünden und zu dem jeweiligen Namen auf das Plakat stellen.
Wenn alle Namen genannt sind, singen Sie noch einmal den Kanon: 'Du sei bei uns'.
Ein Erwachsener erläutert:
"Wenn wir einen Besuch machen, bringen wir oft als kleine Aufmerksamkeit einen Blumenstrauß mit. Wenn wir nachher auf den Friedhof gehen, können wir auch etwas zum Schmücken der Gräber mitnehmen. Weil es jetzt im Spätherbst nur noch wenige Blumen gibt und sie in der Kälte auch schnell verwelken würden, basteln wir jetzt kleine Gestecke oder Sträuße aus Moos, Trockenblumen, Herbstblättern und immergrünen Zweigen."
Aus dem bereit liegenden oder mitgebrachten Material werden nun so viele Gestecke/Sträuße gebastelt, wie Sie nachher für die Gräber brauchen, die Sie besuchen wollen. Wenn Sie keine Gräber auf dem Ortsfriedhof haben, können Sie auch ein Gesteck basteln, das Sie dann z.B. am Kreuz oder einer Gedenktafel auf dem Friedhof ablegen.
Wenn alle Blumengestecke fertig sind, legen Sie sie zu den Erinnerungsstücken in die Mitte.
Ein Erwachsener sagt:
"Wir wollen jetzt zu einem Besuch auf dem Friedhof aufbrechen. Neben den Blumengestecken nehmen wir auch Kerzen mit, die wir an den Gräbern entzünden. Bevor wir dazu aufbrechen, singen wir noch gemeinsam ein Lied."
Erste Strophe des Liedes 'Tragt in die Welt nun ein Licht' (siehe 'Allerheiligen'), als 2. Strophe den Vers 'Tragt zu den Toten ein Licht, sagt allen, fürchtet euch nicht...'.
Zum Friedhofsgang nehmen Sie das Heft, die Gestecke und die Kerzen (Windlichter/Grablichter) mit. Wenn der Weg nicht so weit ist, können sie versuchen, die Lichter brennend dorthin zu bringen.
Gehen Sie nacheinander zu den Gräbern der Angehörigen und Freunde. Falls Sie keine Gräber auf dem Friedhof haben, versammeln Sie sich um das Kreuz oder einer sonstigen zentralen Gedenkstätte (oder auch beim anonymen Gräberfeld). Legen Sie dort das Gesteck und die brennende Kerze ab. Versuchen Sie, eine kurze Zeit der Stille zu halten. Evtl. können Sie auch einen kurzen Kehrvers singen, z.B. 'Tragt zu den Toten ein Licht', 'Du sei bei uns' oder 'Im Dunkel uns’rer Nacht'.
(Buch Exodus, Kapitel 20, Vers 12)
(Jesus Sirach, Kapitel 7, Verse 27f )
Die beiden Texte aus dem Ersten Testament verdeutlichen sehr drastisch, welch große Bedeutung die Wertschätzung der eigenen Eltern hat. Wir alle haben von unseren Eltern das Leben empfangen, diese wiederum von ihren Eltern. Das Leben kommt wie ein großer Strom als unverdientes Geschenk zu jedem Einzelnen. Wer diesem eigenen Lebensstrom misstraut, mit ihm nicht versöhnt ist, gräbt sich selbst seine Lebensenergie ab. Erst die Versöhnung und Wertschätzung der Eltern und Vorfahren lässt diesen Lebensstrom wieder fließen und zur Entfaltung bringen.
Unmöglich ist es, den Eltern zurückzugeben, was sie geschenkt haben. Deswegen bleibt zwischen den Eltern und ihren Kindern stets ein Gefälle von Geben und Nehmen, was die Kinder nicht ausgleichen, was sie nicht vergelten können. Sie können das Leben bloß selbst weiter geben.
Franz Jalics SJ hat als langjähriger Exerzitienbegleiter viele Lebensgeschichten kennen lernen können. Aus seiner reichen Erfahrung schreibt er in seinem Buch 'Kontemplative Exerzitien. Eine Einführung in die kontemplative Lebenshaltung und in das Jesusgebet' (Echter-Verlag 1994, S. 300f ):
"Unsere tiefsten Verletzungen stammen aus unserer Kindheit und sind mit unseren Eltern verbunden. Fehlende Wärme in frühester Kindheit, Autoritätskonflikte, Abwesenheit der Eltern, bedingt durch Arbeit, Scheidung oder Tod, lassen tiefe Wunden zurück, die wir nicht leicht verdauen, verarbeiten oder gar verzeihen können. Versöhnung ist aber möglich und lebensnotwendig.
Die Versöhnung mit unseren Eltern hängt von uns ab. Die Verletzungen, die uns betreffen, liegen nicht in ihnen, sondern in uns. Auch wenn es hart klingen mag: Es kommt in erster Linie nicht darauf an, dass die Eltern sich ändern. Das Problem befindet sich in uns, in unserem Herzen.
Der größte Schmerz ist nie die Verletzung selbst, die in uns eingraviert ist. Der bitterste Schmerz ist, dass wir denjenigen, der uns Leid zugefügt hat, nicht lieben können. Dies ist eine tiefliegende geistliche Qual.
Oft hört man, dass Jugendliche oder junge Erwachsene aus Groll gegen ihre Eltern verkünden, dass sie aus ihrer Kindheit gelernt haben und mit ihren eigenen Kindern nicht dieselben Fehler begehen werden. Es ist eine alte Erfahrung, dass gerade diese Menschen die Fehler ihrer Eltern wiederholen. Solange man seinen Eltern nicht vergeben hat, bleibt dasselbe Handlungsmuster bestehen, ob man es will oder nicht.
Wir übertragen unsere elternbezogenen Probleme auf alle Menschen. Nur wer die Konflikte mit seinen Eltern ausgeräumt hat, ist anderen gegenüber ein freier Mensch."
Diese Aussagen auf die Eltern hin können nach der Erkenntnis vieler Psychologen auch auf andere Vorfahren übertragen werden. Die Ahnen, die geleugnet werden, die nicht bearbeiteten Themen und Aufgaben der Vorfahren, die nicht wertgeschätzt und beachtet werden, das, was totgeschwiegen werden soll, wirkt als 'Familiengeheimnis' weiter und hindert daran, frei und unabhängig zu werden. Allerseelen kann daher auch Anlass sein, die eigenen Wurzeln, den Lebensstrom, der von den Vorfahren herkommt, wieder bewusst zu würdigen und wertzuschätzen und sich mit den unerlösten Teilen zu versöhnen.