Waren ursprünglich das Gedächtnis des Todes der Jungfrau Maria und das Fest ihrer Aufnahme in den Himmel zwei getrennte Gedenk- bzw. Feiertage, wurden sie im 6. Jahrhundert auf einen Tag, den 15. August, zusammengelegt. Der Festtag wurde besonders feierlich begangen, vielerorts auch mit Prozessionen. In Deutschland war 'Maria Himmelfahrt', der 'große Frautag', viele Jahrhunderte hindurch ein Hauptfest des Jahres, an dem sogar die Feldarbeit ruhte.
1950 bekräftigte Papst Pius XII. mit der Verkündigung als Dogma (griechisch: Lehrsatz), also als verbindlichen Glaubenssatz, dass Maria mit ihrem Tod mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen worden ist. Damit wird der Blick zum einen auf das Leben Marien gelenkt: Sie lebte im Vertrauen auf Gott, auf ihn hin, und ist darin ein Vorbild für alle anderen Menschen. Zugleich und vor allem aber wird mit diesem Lehrsatz ausgedrückt, dass Gottes Treue über den Tod hinaus geht: Maria, die sich in ihrem Leben Gott ganz zugewandt hat, ist nach ihrem Tode in und bei Gott, und zwar als 'ganzer' Mensch mit Leib und Seele. Und so, wie er Maria zu sich 'in den Himmel' aufgenommen hat, dürfen auch wir darauf hoffen, einst in seiner Fülle geborgen zu sein.
Seit der Zeit Karls des Großen (8./9. Jahrhundert) ist im deutschsprachigen Raum für dieses Fest eine Kräutersegnung bezeugt, die es bis heute an vielen Orten gibt. Heilkräuter werden zu einem Strauß gebunden, in der Kirche gesegnet und dann zu Hause aufbewahrt. So heißt dieses Fest auch “Maria Kräuterweihe”, “Buschfrauentag” oder “Würzweihe”.
Die Verbindung der Kräutersegnung mit dem Marienfest hat verschiedene Wurzeln. In zahlreichen Legenden wird beispielsweise erzählt, dass man im Grab Mariens nur noch ihre Leichentücher und wunderbar duftende Blumen und Kräuter vorgefunden habe. Die Legende der heiligen Gertrud von Helfta (1256 - 1302) erzählt von einer Vision der Mystikerin, in der sie die sterbende Jungfrau Maria in einem Garten umgeben mit aller Arten wohlriechender Blumen sah. Der Garten wird alsdann auf ihren 'keuschen Leib' hin gedeutet; an den Blumen werden ihre verschiedenen Tugenden anschaulich gemacht. Dabei handelt es sich um alte Mariensinnbilder, die schon sehr früh aus den Schriften des ersten Testaments, insbesondere aus dem Hohenlied, abgeleitet und auf Maria hin gedeutet wurden.
Diese Bilder haben auch Eingang in Kunst und Literatur gefunden, wo Maria immer wieder mit Blumen verglichen wird, als “Lilie des Feldes” (in künstlerischen Darstellungen wurde ihr häufig eine Lilie beigegeben) oder als “Rose ohne Dornen”. Die Volksfrömmigkeit machte Maria zur “Königin der Blumen”, “Beschützerin der Feldfrüchte”, “Kornmutter” und “Traubenmadonna”.
Bei Germanen und Kelten war die Kenntnis, das Sammeln und Anwenden von Heilkräutern ein wichtiger Bestandteil des Glaubens und mit kultischen Ritualen verbunden. Es wurde Jahrhunderte vor allem durch Frauen weiter überliefert. Die Verbindung der Kräuterweihe mit dem Marienfest dürfte somit auch dazu gedient haben, heidnische Anteile auszumerzen und in die christlichen Frömmigkeit zu integrieren.
Heute kann die Segnung der Kräutersträuße die Dankbarkeit über die Heilkräfte zum Ausdruck bringen, die durch den Schöpfer in die Natur hineingelegt wurden: Heilkräuter und Blumen als Geschenk Gottes zur Gesundheit und Freude.
Wenn dieser Feiertag in die Sommerferien fällt, können Sie die Feier auch allein mit ihrer Familie umsetzen, z.B. am Urlaubsort. Vielleicht finden Sie dort auch noch weitere heilende Zutaten für den Bastelvorschlag (s.u.).
Sie benötigen eine Marienfigur oder ein Marienbild; Ihre Jahreskerze; Liedblätter; getrocknete Kräuter (eventuell auch selbst gesammelt und getrocknet), teilweise zerkleinert; Bastelkleber, Bleistifte, festen Karton (A6 - A4), evtl. dazu passende Bilderrahmen für jede Familie; Teller oder Müllbehälter
Bitte beachten Sie, dass nicht alle Heilkräuter ungiftig sind. Achten Sie deshalb darauf, nur unbedenkliche Pflanzenteile zu besorgen oder die Kleinsten bei der Bastelaktion am Probieren zu hindern!
Stellen Sie vor Beginn die Jahreskerze und kleine Schalen mit verschiedenen Heilkräutern auf ein Tuch in der Mitte des Tisches.
Wenn alle um den Tisch versammelt sind, wird die Kerze angezündet.
Anschließend singen Sie das Lied: 'Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind'
'Heute feiern wir das Fest Maria Himmelfahrt. Für viele Menschen hat Maria eine ganz besondere Bedeutung und deshalb gibt es im Lauf des Jahres auch ganz verschiedene Marienfeste.'
(Falls Sie auch im Mai eine gemeinsame Feier gestaltet haben, können Sie daran erinnern und einige Gedanken von damals noch einmal aufgreifen.)
'Im Mai schmücken viele Menschen ein Bild von Maria oder eine Marienfigur mit frischen Blumen. Auf unserem Tisch stehen heute keine Blumen, sondern nur kleine Schalen mit getrockneten Pflanzen, Heilpflanzen.'
Hier können Sie die Schalen herumreichen und daran riechen oder die Kräuter in den Händen zerreiben. Ein kurzer Austausch über die verschiedenen Düfte kann sich anschließen.
'So wie diese Pflanzen eine heilende, gesund machende Wirkung haben, so wird auch über Maria immer wieder erzählt, wie heilsam sie auf Menschen gewirkt hat. Weil sie ein Leben ganz im Vertrauen auf Gott gelebt hat, konnte ihr Leben gelingen. Wenn wir heute nun die Aufnahme Marias in den Himmel feiern, dann feiern wir damit auch die Treue und Nähe Gottes, die über den Tod hinaus geht. So wie Maria am Ende ihres Lebens ganz bei Gott aufgenommen wurde, so können auch wir hoffen, einst ganz bei ihm geborgen zu sein.'
Um noch ein wenig mehr über Maria und ihre Wirkung auf andere Menschen zu erfahren, können Sie jetzt gemeinsam das Lied 'Ohr, das den Ruf vernahm' singen. Kleinere Kinder können jeweils in den Ruf: “Hilf, Maria” einstimmen.
An das Lied kann sich ein kurzes Gespräch darüber anschließen, was über Maria alles ausgesagt wird.
Eine Erwachsene fasst zusammen:
'Maria werden viele gute Eigenschaften zugeschrieben. Ihre Offenheit und ihre Hellhörigkeit, ihr Vertrauen auf Gott hat vielen Menschen Mut gemacht und ihnen geholfen, dass auch ihr Leben gelingen, dass es heil werden konnte.'
Ein/e Erwachsene/r spricht weiter:
'Wenn ihr euch verletzt habt, dann muss die Wunde 'heilen'. Medikamente, die Kranke brauchen, heißen auch 'Heilmittel'. Auch wenn die Wunde selbst heilen muss und wenn Krankheiten eine gewisse Zeit brauchen, um auszuheilen, so können wir doch etwas dazu beitragen, dass ein Verletzter oder eine Kranke nicht so leiden müssen.
Wir können uns ein wenig davon erzählen, wie es uns geht, was wir fühlen, wenn wir verletzt oder krank sind, und was uns hilft, damit es uns wieder besser geht.'
Nach dem Gespräch fasst ein/e Erwachsene/r zusammen:
'Mindestens so wichtig wie Verbände und Medizin ist die Zuwendung und Nähe von Menschen, damit wir wieder gesund werden. Wenn sich jemand um uns sorgt, wenn ich mich mal richtig 'ausheulen' kann, wenn mich jemand in den Arm nimmt oder mir einfach 'Gute Besserung' wünscht, dann kann ich wieder Kraft und Hoffnung schöpfen: 'Es wird schon wieder werden!'”
'Das Fest Maria Himmelfahrt ist oft mit einer Kräuterweihe verbunden. Bunte duftende Sträuße, aus vielfältigen Heilkräutern zusammengestellt, werden in der Kirche gesegnet und dann zuhause an einem besonderen Ort aufbewahrt. Deshalb haben wir heute auch die vielen getrockneten Kräuter auf unserem Tisch stehen. Vorhin haben wir schon daran gerochen und vielleicht dabei auch gemerkt, dass uns Gerüche ganz unterschiedlich gut tun. Aus vielen Kräutern kann man auch Tee kochen, Umschläge oder Salben herstellen.
Wir wollen nun aus diesen Kräutern Bilder herstellen. Zuhause kann dann jede Familie ihr Bild z.B. im Arzneischrank aufbewahren und es hervorholen, wenn jemand krank ist. Wenn das Bild dann am Bett steht, kann es daran erinnern, dass wir nicht allein sind, wenn es uns schlecht geht. Dass Gott uns immer beisteht und uns Kraft schenkt und dass Heilung durch die Zuwendung von Menschen unterstützt werden kann.
Zunächst überlegen wir, welches Motiv wir mit den Kräutern gestalten wollen, z.B. ein Gesicht, eine Hand, die Sonne, oder auch einfach ein schönes Muster, bei dem man sich entweder an den Farben oder Düften orientieren kann. Möglich ist auch ein Bild, das sich an dem Lied über Maria orientiert, das wir eben gesungen haben, oder an dem Gespräch darüber, was uns gut tut, wenn wir krank sind.
Und dann lassen wir unserer Phantasie freien Lauf.'
Erwachsene oder größere Geschwister malen die Umrisse des geplanten Motivs mit Bleistift auf dem Karton vor. Die freien Flächen werden dann mit Bastelkleber bestrichen und mit den Kräutern in den ausgewählten Farben oder Duftnoten bestreut. Mit der flachen Hand vorsichtig andrücken und anschließend zum Antrocknen leicht darüber pusten. Nach kurzer Zeit den Karton über einem Teller (oder Müllbehälter) abklopfen. So werden nacheinander alle Felder beklebt.
“Guter Gott, wir haben viele Kräuter zusammengetragen.
Segne diese Kräuter,
damit sie Medizin für uns Menschen werden.
Wir danken dir, dass du so gut für uns sorgst.
Amen.”
Eine Erwachsene leitet zum Abschlusslied über:
'Wir haben zusammen das Fest Maria Himmelfahrt gefeiert. 'Es ist wie im Himmel', 'himmlisch' oder 'das ist der Himmel auf Erden' - so sagen wir, wenn wir uns rundum wohl fühlen, wenn es uns so richtig gut geht, wenn wir 'an Leib und Seele' gesund sind oder wenn wir uns total geborgen fühlen.
Weil wir uns und allen Menschen wünschen, immer wieder neu zu erleben wie 'der Himmel über uns aufgeht', singen wir zusammen noch einen Kanon.'
Lied: 'Der Himmel geht über allen auf'
Der Tiefenpsychologe Carl Gustav Jung begrüßte die Verkündigung des Dogmas von der Aufnahme Mariens in den Himmel, weil das Weibliche, wie er sagte, endlich auch in Gott aufgenommen, einbezogen, integriert und damit auch geheiligt und zugelassen sei. Maria wird als Projektionsfläche unseres Strebens nach Ganzheitlichkeit im Himmel aufgestellt, symbolisch in den Himmel gehoben.
Eine Reduzierung ihrer Verehrung auf ihr Jungfrau- und Muttersein würde jedoch eine Gefahr für unser eigenes Menschenbild darstellen. Wenn aus dem Leben einer Frau mit den verschiedenen Stadien und Aspekten wie beispielsweise das Mädchen, die heranwachsende, attraktive Jungfrau, die erotisch und sexuell aktive Frau, die Mutter, die Tatkräftige, die im Beruf sich Bewährende, die weise, alte Frau, einzelne Facetten verabsolutiert werden, dann fehlt der ganze Bereich der Eigenständigkeit, Selbstständigkeit, Mündigkeit und Partnerschaft. Auch die Seite, die nicht nur freundlich zugewandt und verständnisvoll ist, wird vielfach ausgeblendet: Jener Anteil am Frau- und Muttersein, der beispielsweise kritisch und fordernd sein kann - bis hin zum Festhalten und zur Aggressivität. Gelingendes Menschsein ist auf die Integration aller Persönlichkeitsanteile angewiesen, wozu ein sich wandelndes Marienbild hilfreich sein kann.
Wenn Christen zu Maria rufen: “Du gütige, du milde und du süße...”, dann ist das Einladung, bei sich selber um Güte und Milde bemüht zu sein. Und es ist Aufforderung, mit Maria den Lobpreis Gottes, das Magnificat, mitzubeten - in Worten und Taten (vgl. Evangelium nach Lukas, Kapitel 1, Verse 46 - 55).
So verstanden liegt im Fest Mariä Himmelfahrt eine vielfache Herausforderung an uns: unser Beziehungsverhalten betreffend, im privaten wie im politisch-gesellschaftlichen und kirchlichen Raum. Auf diese Herausforderung zu antworten, wäre eine Chance, selber eine integriertere und vollständigere Persönlichkeit zu werden.