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Bistum Trier
Montag, 28. April 2014

Pilgern als Ausdruck zeitgenössischer Spiritualität

Trier – Sind Pilgern und Wallfahren ein besonderer Ausdruck zeitgenössischer Spiritualität und Religion? Diese Frage haben sich Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen bei einer Fachtagung am 26. April in Trier gestellt. Basis für die Beantwortung der Frage sind die Erforschung der Heilig-Rock-Wallfahrt 2012 und eine Studie zum Pilgern nach Santiago de Compostela aus dem Jahr 2010. Die wichtigsten Ergebnisse und ein Vergleich zwischen beiden Untersuchungen wurden auf der Tagung im Trierer Generalvikariat vorgestellt.

Als „offiziellen Abschluss des Forschungsprojekts zur Heilig-Rock-Wallfahrt 2012“ bezeichnete der Trierer Pastoraltheologe und Projektinitiator Professor Dr. Martin Lörsch die Vorstellung der Ergebnisse. Die Präsentation umfasste neben der Helfer-Befragung der Heilig-Rock-Wallfahrt 2012 einen Vergleich der Trierer Wallfahrt mit einer Studie zum Pilgern nach Santiago de Compostela, einen soziologischen Blick auf die beiden Phänomene als „Spiritueller Tourismus“ sowie einen religionswissenschaftlichen Vergleich mit dem „Bertelsmann-Religionsmonitor 2013“, der die Bedeutung von Religion in der postmodernen Gesellschaft untersucht.

Die Heilig-Rock-Wallfahrt als Biotop des Glaubens

Die Tagung wurde mit einem Referat des Trierer Generalvikars und ehemaligen Wallfahrtsleiters Dr. Georg Bätzing mit dem Titel „Eine neue Geschichte zum alten Stoff“ eröffnet. Das wegen Verhinderung des Autors von Dr. Carola Fleck vorgetragene Referat erläuterte Gedanken zur „Konzeption des Heilig-Rock-Wallfahrt 2012 als geistliches Ereignis zu Beginn des 21. Jahrhunderts“. Darin wurden die gegenwärtigen prägenden Tendenzen von Kirche und Gesellschaft deutlich, auf die die Wallfahrt in ihrer Konzeption „feinfühlig zu reagieren“ hatte. Die zu beobachtende Umbruchszeit berge dabei die Chance, die sich verändernde und erst schemenhaft sich abzeichnende neue Sozialgestalt von Kirche aufzugreifen, in der das Pilgern als Sinnbild für die individualisierte religiöse Identitätssuche verstanden werden könne. „Sie bedeutet eine Verbindlichkeit im Suchen, nicht im Finden“, zitierte Fleck den Wallfahrtsleiter von 2012. Es brauche dazu aber „die Biotope des Glaubens“ als Orte, an denen Christen besondere Angebote gemacht und Begegnungsmöglichkeiten eröffnet werden.

Wallfahren und Pilgern im Vergleich

Vor diesem Hintergrund stellte Dr. Markus Gamper von der Universität Köln die wichtigsten Ergebnisse der beiden Forschungsgegenstände „Heilig-Rock-Wallfahrt 2012“ und „Pilgern nach Compostela 2010“ in einem empirischen Vergleich vor. Anhand der nach Gampers Einschätzung „weltweit größten Studie zu Pilgern und Wallfahrt“ belegte er, dass die Besucher der Heilig-Rock-Wallfahrt 2012 deutlich stärker kirchlich gebunden sind als die Pilger auf dem Camino. Darüber hinaus seien die Trier-Wallfahrer gekennzeichnet durch einen stärkeren Wunsch nach Gemeinschaft, ein höheres Lebensalter, eine verstärkt religiöse statt spirituelle Selbsteinschätzung; sie seien überwiegend weiblichen Geschlechts und familienorientiert.

Gesichter einer gastfreundlichen Kirche - Von Helferinnen und Helfern lernen

„Die Heilig-Rock-Wallfahrt 2012 und das Engagement der Freiwilligen“ thematisierte Professor Lörsch, indem er die Ergebnisse der Befragung unter den Helferinnen und Helfern der Wallfahrt vorstellte. Sie basieren auf 932 ausgewerteten quantitativen Fragebögen, zehn qualitativen Interviews, zwölf Helfer-Tagebüchern sowie Beobachtungsberichten und weiterem Datenmaterial. Der Auswertung zufolge lauten mit jeweils 80 und mehr Prozent die wichtigsten Helfer-Motive: „der Kirche ein freundliches Gesicht geben“, „Kirche anders erleben“ und „Gastfreundschaft pflegen“. Dadurch würden die fast 2.500 Ehrenamtlichen und 1.400 weiteren Mitwirkenden zu „Repräsentanten einer helfenden, dienenden und gastfreundlichen Kirche gemäß einer Hinführung zu Jesus Christus als dem ‚Helfer’“, sagte der Pastoraltheologe. Als besonders interessant wertete Lörsch, dass durch die mit zeitlichem Abstand erhobenen Daten eine Nachhaltigkeitsstudie ermöglicht wurde. Demnach sehen etwa 55 Prozent eine positive Wirkung durch die Wallfahrt für ihren Glauben, 43 Prozent ein positiv verändertes Verhältnis zum Bistum Trier und knapp 40 Prozent eine verbesserte Beziehung zur katholischen Kirche im Allgemeinen.

Aus pastoraltheologischer Sicht „können wir von den Helferinnen und Helfern lernen, die eine große Sehnsucht nach neuen Formen von kirchlicher Sozialgestalt haben“, resümierte Lörsch. Es habe sich aus der Wallfahrt ein Netzwerk unter den Mitwirkenden gebildet, durch das sie sich – auch mit Hilfe einer eigenen Internet-Plattform – gegenseitig unterstützten. Dies deute im Kontext von De-Institutionalisierung und individualisierter Religion neue Formen von Vergemeinschaftung von Kirche im Bistum durch Selbstengagement und Selbstorganisation an.

Pilgern und Wallfahren als „spiritueller Tourismus“

Die Sozialwissenschaftler Veronika Graf und Paul Reiter beleuchteten Pilgern und Wallfahren unter ökonomischer und soziologischer Perspektive als Formen des boomenden „spirituellen Tourismus“. Besonders das Pilgerreisen nach Santiago als Angebot vieler Reiseveranstalter werde stark touristisch vermarktet und verliere darin seinen religiösen Gehalt. Der Religionswissenschaftler Dr. Berthold Weig gab einen Einblick in die „Religion in der postmateriellen Gesellschaft“ anhand des Religionsmonitors 2013 der Bertelsmann-Stiftung. Dieser belegt unter anderem die starke Zunahme der religiösen Vielfalt in Deutschland, die drastisch abnehmende institutionelle Bindung und die Individualisierung von Religion. Dennoch lasse sich unter den 16- bis 24-Jährigen ein aufschlussreicher Trend beobachten, wonach für 20 Prozent die Religion wieder „sehr wichtig“ sei und sich somit der religiöse Individualisierungstrend leicht umkehre. Außerdem bezeichneten sich trotz der wachsenden Wahlmöglichkeiten in der säkularen, postmateriellen Gesellschaft 57 Prozent der Deutschen noch oder wieder als religiös.

Nach der abschließenden Diskussion eröffnete Lörsch im Kreuzgang des Trierer Doms die Ausstellung zum Forschungsprojekt „Pilgern und Wallfahren: Ausdruck zeitgenössischer Spiritualität und Religion?!“. Die Präsentation, die auf Schautafeln die zentralen Ergebnisse vorstellt, ist während der Heilig-Rock-Tage bis zum 4. Mai zu sehen. Weitere Informationen: www.heilig-rock-tage.de.

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