Zum Inhalt springen

Trauerwanderung :Wenn die Trauer mitwandert

45 Frauen und Männer - so viele wie noch nie - sind zur Trauerwanderung an den Jägersburger Weiher gekommen. Prominenter Besucher war Generalvikar von Plettenberg.
45 Frauen und Männer kamen zur Trauerwanderung an den Jägersburger Weiher.
Datum:
5. Sept. 2025
Von:
Anja Kernig/BIP Saar
Neunkirchen/Homburg – Fünf Trauergruppen des Bistums Trier treffen sich einmal im Jahr zur gemeinsamen Trauerwanderung. Am letzten Freitag im August war es wieder so weit. Doch die Tour am Jägersburger Weiher fiel buchstäblich ins Wasser – und geht trotzdem als gelungen in die Annalen ein.
Als Außenstehender erwartet man gerade das am allerwenigsten: Dass jemand lächelt. Doch genau das passiert immer wieder, als Nadine Trenz und Dagmar Hoffmann vor jeden Teilnehmer der Trauerwanderung ein kleines schimmerndes Gaze-Säckchen auf den Holztisch legen. Darin befindet sich je ein Schokoladenbonbon sowie ein Zettel. ,,Resilienz“ steht auf einem, „gute Schlafqualität“ auf einem anderen oder auch „Vertrauen in die Zukunft“. „Dabei geht es um die Frage: Was bedeutet Glück für mich“, sagt Trauerbegleiterin Dagmar Hoffmann vom Ambulanten Hospiz St. Josef in Neunkirchen. Ihre Kollegin Nadine Trenz ergänzt: „Wir möchten damit anregen, zu überlegen: Was macht Sie glücklich? Was gibt Ihnen Kraft?“
Normalerweise wäre die ganze Gesellschaft jetzt draußen in der Natur und hätte schon einige hundert Meter zurückgelegt. Vielleicht würde das Laub rascheln, ein Windhauch die Zweige an den Bäumen bewegen, ein Vogel würden singen oder ein Specht an einen hohlen Stamm klopfen, die Luft wäre frisch und würzig. Stattdessen sitzen die verhinderten Wanderer in der Alm-Hütte am Jägersburger Weiher. Das Essen ist bestellt, die Stimmung entspannt bis leicht aufgekratzt. Regen hat den Veranstaltern von der Fachkonferenz Trauer einen Strich durch die Rechnung gemacht. Absagen kam nicht in Frage, deshalb kehrt man diesmal eben gleich ein. Ohne Wanderung.
Auch sonst ist bei der 2025er Ausgabe der Veranstaltungsreihe einiges anders als sonst. Seit zehn Jahren gib es sie nun schon. „Meist nehmen 20 bis 25 Leute teil“, informiert Pastoralreferentin Sibylle Rhein, die sowohl das Lebenscafé „Geheischnis“ als auch zusammen mit Pfarrer Markus Krastl die Trauergruppe Wiebelskirchen leitet. Der Ort variiert: „Wir waren schon in Wiebelskirchen und Furpach, auf dem Kohlhof, in St. Ingbert und im Biosphärenreservat Homburg-Beeden unterwegs.“ Die etwa einstündige Wanderung mit kurzen Impulsen und Meditationen an mehreren Stationen richtet sich ausschließlich an Teilnehmer aus fünf regionalen Trauergruppen des Bistums Trier. „In diesem Jahr war allerdings nur das Lebenscafé, die von Ellen Renner geleitete „Pusteblume“ und die Neunkircher Trauergruppe von Monika Schula vertreten.“ Das jedoch sehr zahlreich! 45 Frauen und Männer, „das hatten wir noch nie“. Wirklich überraschend kommt das trotzdem nicht. „Trauer ist langsam kein Tabuthema mehr, sondern rückt immer mehr in den Vordergrund.“ Für Sibylle Rhein eine „gesunde Entwicklung“, die Betroffenen beim Bewältigen ihres Verlustes hilft.

Trauerarbeit nicht nur nach Tod eines Angehörigen

Welcher im Übrigen nicht zwingend durch den Tod eines geliebten Menschen ausgelöst wird. „Mein Mann hat eine jüngere Frau gefunden“, erzählt eine ältere Dame. Gleichwohl hat es ihr den Boden unter den Füßen weggerissen. „Meine Freundin ist Witwe, sie hat mich dann einfach mit zu ihrer Trauergruppe genommen.“ Das war vor zwei Jahren. Die Erfahrungen in der Gruppe nennt die Interviewpartnerin „sehr schön“, die Gruppe und deren Leiterin Ellen Renner sei „ein Segen“.
Doch der ist hart erkämpft. Angefangen hat für die „Pusteblume“-Gründerin alles mit großem persönlichen Leid, über das Ellen Renner offen spricht: „Mein Mann ist vor 23 Jahren tödlich verunglückt.“ Damit nicht genug, musste sie zwei Sternenkinder gehen lassen. „Ich hätte mir damals eine Anlaufstelle gewünscht.“ Damit sich etwas ändert, hat Ellen Renner selbst eine Ausbildung zur Trauer- und Sterbebegleiterin an der Elisabeth Kübler-Ross Akademie in Stuttgart absolviert. Heute leitet sie drei Trauergruppen, eine für Kinder, eine für Jugendliche und eine für Erwachsene. 

Trauerwanderungen sind stark nachgefragt

Die Trauerwanderungen bereichern die Arbeit der Gruppen. „Die Rückmeldungen sind immer positiv“, freut sich Sibylle Rhein. „Man kommt dabei ganz unkompliziert ins Gespräch und lernt sich kennen.“ Viele Menschen leiden unter Einsamkeit. „Wir bieten ihnen durch solche Veranstaltungen die Möglichkeit, da für ein paar Stunden herauszukommen.“ Dagmar Hoffmann nennt einen weiteren wichtigen Aspekt: „Wir sprechen damit Menschen an, die schwer oder gar nicht über ihren Verlust und ihre Trauer reden können.“ Im Tun, durch die Bewegung, löst sich manche Blockade. „In jedem Fall findet Begegnung statt“, Gemeinschaft wird erlebt und genossen, ob mit oder ohne Worte.
Funktioniert hat das auch diesmal wieder – selbst ohne Wanderung. Davon konnte sich Ulrich von Plettenberg einen Eindruck verschaffen. Im Rahmen seiner Visitation im Pastoralen Raum Neunkirchen nahm der Trierer Generalvikar gern die Einladung zur Trauerwanderung an. „Mich hat sehr überrascht, wieviel Menschen von diesem Angebot Gebrauch machen. Daran sieht man den großen Bedarf“, sagte er.