Bischof Ackermann spricht in Longuich über Relevanz des Glaubens heute :„Unser Glaube ist wie eine Hängematte, die uns hält und auffängt“

Longuich – Wie relevant ist der christliche Glaube heute noch, 1.700 Jahre nach der ersten großen Versammlung von über 300 frühchristlichen Bischöfen, die der römische Kaiser Konstantin zusammengerufen hatte? Darüber hat Bischof Stephan Ackermann am 8. Oktober in der Pfarrkirche Sankt Laurentius in Longuich mit interessierten Gläubigen gesprochen. Der Abend mit Impulsvortrag, Austausch und Musik war Teil einer ganzen Veranstaltungsreihe zum Jubiläum des „Konzils von Nizäa“, das in diesem Jahr von den christlichen Kirchen gefeiert wird.
Obwohl es später noch viele weitere Konzilien gab, kommt der ersten Zusammenkunft der Kirchenherren eine besondere Bedeutung zu: Nicht nur wurden damals Streitfragen zur Person Jesus als Sohn Gottes beilgelegt; auch ein gemeinsames Bekenntnis zum christlichen Glauben wurde definiert. Doch wie sieht es mit der Relevanz des Glaubens heute aus in einer Zeit, in der immer mehr Menschen aus den beiden großen christlichen Kirchen austreten oder sich als nicht-religiös bezeichnen?
Ackermann hatte dazu Impulse mitgebracht. Zuerst stelle sich die Frage, ob man überhaupt an Gott glaube oder nicht. Selbst wenn der Glaube klein sei und man als vernunftbegabter Mensch vieles hinterfrage, sei es eine Grundsatzentscheidung, an ein höheres Wesen zu glauben oder nicht. Hinzu komme, dass viele gesellschaftliche Bereiche, in denen früher die Kirche Antworten und Hilfestellung bot, heute auch von nicht-kirchlichen Organisationen betreut würden – ob in der Bildung, der Krankenfürsorge oder dem Schutz der Umwelt. Sie böten Möglichkeiten für ehrenamtliches Engagement – nur ohne das „religiöse Gepäck“.
Jesus Christus als USP
„Was also ist noch unser ‚unique selling point‘, unser Markenkern?“, fragte Ackermann. Für ihn sei es die Person Jesus Christus. Auch wenn Werte wie Nächstenliebe schon lange vor Jesus im Alten Testament explizit genannt wurden, habe Jesus sie mit jeder Faser seiner Existenz vorgelebt und damit greifbar gemacht. Durch ihn bekomme ein rätselhaftes Wesen wie Gott ein Gesicht, werde nahbar. Im Lauf des Lebens verändere sich der persönliche Glauben oftmals. Auch er habe in das Glaubensbekenntnis erst „hineinwachsen müssen“ wie in einen „zu großen Mantel“, so Ackermann. Auch wenn man selbst zweifle oder es persönliche und gesellschaftliche Entwicklungen gebe, mit denen man hadere, gebe es doch einen tröstlichen Gedanken: Der christliche Glaube von unzähligen Generationen über 2.000 Jahre sei wie eine stützende und schützende Hängematte, in der Gott einen auffange. Für jüngere Menschen müsse man die oft altertümlichen Worte kirchlicher Schriften besser zugänglich machen, vor allem mit der Sprache von Beziehungen. Gott sei ein konkretes „Du“, das einem beistehe und im Leben begleite wie ein Freund. Das verstünden schon die Kleinsten.
Immer wieder Zeichen der Solidarität setzen

Das Publikum beteiligte sich rege mit Fragen am anschließenden Austausch. Wie die Kirche auf die beängstigende aktuelle Weltlage mit Kriegen, zunehmenden menschenfeindlichen politischen Bewegungen und einer drohenden Klimakatastrophe reagieren könne, fragte ein Zuhörer. Ackermann betonte, die katholische Kirche bemühe sich, in vielen Fragen Zeichen der Solidarität zu setzen – und sich auch politisch zu positionieren, auch wenn das nicht ihre Kernkompetenz sei. Es gelte immer, die Tür zum Gespräch offenzuhalten, aber trotzdem klare Kante zu zeigen, wenn es um die Würde des Menschen, um Solidarität mit Benachteiligten oder den Schutz der Schöpfung gehe.
Ob die Kirche beim Tag der Deutschen Einheit in Saarbrücken mit von der Partie gewesen sei, wollte eine Zuhörerin wissen. „Wir waren da und haben einen ökumenischen Gottesdienst gestaltet, der den Auftakt zu den Feierlichkeiten bildete und zu dem auch unsere Regierungsverantwortlichen kamen“, bestätigte Ackermann. „Es ist nicht selbstverständlich, dass in heutiger Zeit auch politische Amtsträger signalisieren: Wir sind nicht die Mächtigsten, es gibt noch eine Instanz über uns, vor der wir Verantwortung tragen.“ Eine letzte Frage bezog sich auf das Engagement der Kirche für ihre Mitglieder und kirchenferne Menschen. Es entstehe manchmal der Eindruck, die Kirche stecke sehr viel Energie in das „Zurückgewinnen“ kirchenferner Menschen, und vernachlässige dabei jene, die sich seit Jahren ehrenamtlich in kirchlichen Gremien engagierten, so der Zuhörer. Ackermann stellte klar, dass genau dies nicht passieren dürfe und er deshalb sehr interessiert an dem Austausch an der Basis sei, so wie an diesem Vortragsabend in Longuich.