Besser mit Mensch

Zum ersten Juni hat das Bistum Trier als eines der ersten in Deutschland eine Richtlinie zur Begleitung des Gemeindegesanges in Zeiten akuten Mangels an Organistinnen und Organisten veröffentlicht. Die Kirchenmusiker*innen verstehen die Richtline als Entscheidungshilfe für die Kirchengemeinden. Was es damit auf sich, erläutert im Interview Thomas Sorger, Referent für Kirchenmusik im Generalvikariat.
Sehr geehrter Herr Sorger, warum braucht es solche Richtlinien?
Thomas Sorger: Wir sehen auf der einen Seite die Not in den Gemeinden. Oftmals stehen keine Vertretungskräfte für den Organistendienst zur Verfügung. Demgegenüber sinkt die Zahl der Gottesdienstteilnehmenden und oft ist das Durchschnittsalter hoch. Oft fehlt daher nicht nur der Mensch an der Orgel, sondern auch die Gemeinde, die singt.
Auf der anderen Seite sehen wir aber auch, dass die liturgische Qualität leidet, etwa wenn nach Lösungen gesucht wird, die ohne Organisten auskommen. Nur ein echter Musiker kann in einem Gottesdienst etwa auf eine konkrete Situation oder auf eine besondere Stimmung reagieren. Auch eine ‘gestufte Feierlichkeit’ ist mit Ersatzsystemen nicht zu erreichen.
Wir bekommen Anfragen aus den Kirchengemeinden zu diesem Thema, und ich denke, dass es sicher noch mehr Kirchengemeinden gibt, die vor diesem Problem stehen. Das Engagement vor Ort ist oft bemerkenswert. Bevor sich aber ‚Lösungen‘ ohne Musiker*innen etablieren, die vielleicht kostengünstiger sind, aber die die Qualität des Gottesdienstes einschränken, haben wir uns entschlossen, den Kirchengemeinden diese Richtlinien an die Hand zu geben.
Die Richtlinie sagt, etwas verkürzt: Bitte Gottesdienste nur mit Organist*in. Wenn das nicht möglich ist, gibt es eine Rangfolge bei den Vorschlägen, ohne Organist*in auszukommen: vom Einsatz anderer Instrumente wie Klavier, E-Piano, Gitarre oder Flöte über Vorsänger*innen, bis hin zur Begleitung des Gesangs durch aufgezeichnete Musik. Wie erklärt sich die Rangfolge?
Musik im Gottesdienst folgt dem Grundverständnis von der Feier des Glaubens, dass diese immer teilnehmend und teilgebend von Menschen gestaltet wird. Vorrang hat daher immer grundsätzlich ein*e Kirchenmusiker*in. Ist das aber nicht möglich sollte man überlegen, ob man nicht das Angebots von Gottesdiensten an die vorhandenen Organisten anpassen kann. Ist das auch nicht möglich, dann soll geprüft werden, ob der Einsatz anderer Instrumente möglich ist, wie etwa ein Klavier, E-Piano, Gitarre oder eine Flöte. Das heißt, man ist dann nicht auf jemanden angewiesen, der eine Orgel spielen kann, braucht dann aber freilich jemandem mit dem nötigen liturgischen Verständnis. Vielleicht kann die Gemeinde auch ohne Begleitung singen? Fehlt all dies, könnten Orgelselbstspielsysteme zum Einsatz kommen. Als letzte Möglichkeit, in besonderen Situationen, wie etwa in Altenpflegeeinrichtungen kann die Begleitung des Gesangs durch aufgezeichnete Musik erfolgen – etwa von einer CD. Nicht vorgesehen ist es, Musik abzuspielen, die auch den Gesang der Gläubigen ersetzt.
Es geht also nicht nur um die musikalische, sondern auch um die liturgische Qualität?
Richtig. Deswegen wurde diese Richtlinie auch zusammen mit dem damaligen Liturgiereferenten Carsten Rupp entworfen. In der weiteren Arbeit wurde der Text dann mit den Regionalkantor*innen und unseren Orgelsachverständigen abgestimmt.
Wie stehen Sie dazu, wenn etwa bei Hochzeiten oder bei Beerdigungen von den Beteiligten „nicht-kirchliche“ Lieder gewünscht werden?
Ich bin da eher liberal. Beim Trauergottesdienst in der Kirche selbst sollte es bei liturgischer, im weiteren Sinne bei liturgisch einsetzbarer Musik bleiben. Auf dem Friedhof kann und sollte man durchaus auch Wünsche der Trauergemeinde berücksichtigen. Wichtig ist immer eine gute Absprache aller Beteiligten.
Wo sehen Sie denn die Gründe für den Mangel an Kirchenmusikern?
Das ist sicher sehr vielschichtig. Es gibt generell weniger Menschen, die sich mit ‚Kirche‘ identifizieren und die Zahl der Gottesdienstbesuche nimmt ab, besonders der Anteil junger Menschen. Es ist sehr schwierig, junge Menschen zu finden, die eine kirchenmusikalische Ausbildung machen möchten.
Ist das denn aufwendig?
Die einfachste Ausbildung, die man braucht, um in einem Gottesdienst die Orgel spielen oder einen Chor- oder Kinderchor leiten zu können, ist bei uns die so genannte die D-Ausbildung, sie dauert zwei Jahre. Zum Einstieg sollte man gute Grundlagen im Klavierspiel haben, je mehr, um so besser. Die C-Ausbildung dauert drei Jahre und braucht einerseits mehr Vorbildung, verlangt auch mehr zeitliches Engagement. Dafür erhält man aber einen Abschluss, der bundesweit als Qualifikation anerkannt ist. Bei uns unterrichten sehr qualifizierte, erfahrene und begeisterungsfähige Lehrkräfte; zurzeit gibt es im Bistum neun hauptamtliche Regionalkantor*innen und 40 – ehemalige – Dekanatskantor*innen, die diese Aufgabe bei Bedarf übernehmen. In den Ausbildungsgängen der Bischöflichen Kirchenmusikschule, etwa in der C-Ausbildung, der D-Ausbildung und in den Kursen für ehrenamtliche Kantoren und Vorsänger haben wir zurzeit insgesamt 56 Menschen aller Altersstufen.
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