Meist geschehen Grenzverletzungen unbeabsichtigt. Grenzverletzungen können auch Hinweise auf fachliche oder persönliche Verfehlungen des Mitarbeitenden sein. Das unangemessene Verhalten einer Grenzverletzung kann auch durch Mangel an eindeutigen Normen und Regeln in einer Organisation hervorgerufen werden. Täter und Täterinnen setzen Grenzverletzungen gegenüber dem Opfer jedoch auch im Zuge ihrer Anbahnung gezielt ein, um zu testen, wie weit sie bei der Schülerin oder dem Schüler gehen können, ohne eine Gegenwehr zu provozieren, die eine mögliche Aufdeckung zur Folge hätte.
Die Einstufung eines Verhaltens als grenzverletzend beruht nicht nur auf objektiven Kriterien, sondern ebenso auf dem subjektiven Erleben von Schülerinnen und Schülern. Im schulischen Alltag lassen sich zufällige und unbeabsichtigte Grenzverletzungen nicht vollkommen vermeiden. Es handelt sich hierbei jedoch um eine einmalige oder gelegentlich vorkommende unbeabsichtigte Missachtung der Grenzen von Schülerinnen und Schülern und nicht um einen grundlegenden Mangel an Respekt diesen gegenüber. Wird sich die Lehrerin oder der Lehrer der unbeabsichtigten Grenzverletzung bewusst, ist dies sogar Ausdruck eines achtsamen Umgangs.
Fallbeispiel
Eine Lehrerin trägt während des Unterrichts kurze Röcke und Kleider, teilweise mit tiefem Ausschnitt. Als sie sich über einen Schüler beugt, um ihm eine Aufgabe zu erklären, rutscht ihr Rock hoch und ein großer Teil ihrer Oberschenkel ist für die dahinter sitzenden Schülerinnen und Schüler sichtbar. Einige Schüler machen sich hierüber lustig, andere sind peinlich berührt und schauen weg. Teilweise lässt sich durch den Ausschnitt auch der Ansatz ihres Busens erahnen. Ein Schüler vertraut sich dem Beratungslehrer der Schule an und berichtet, dass ihn der offenherzige Kleidungsstil der Lehrerin störe und er manchmal nicht wisse, wie er sich ihr gegenüber verhalten solle.
Weitere Beispiele
Einmalige/seltene Missachtung einer (fachlich) adäquaten körperlichen Distanz (grenzüberschreitende, zu intime körperliche Nähe und Berührungen im alltäglichen Umgang oder bei der Hilfestellung im Sportunterricht).
Einmalige/seltene Missachtung eines respektvollen Umgangsstils (z. B. öff entliches Bloßstellen einer Schülerin bzw. eines Schülers vor der Klasse, persönlich abwertende, sexistische oder rassistische Bemerkungen).
Schüler und Schülerinnen mit Kosenamen ansprechen („Süße“, „Schätzchen“ usw.). Eigene Verantwortung für den Schutz von Schülerinnen und Schülern bei Grenzverletzungen durch andere Schülerinnen/Schüler abgeben (z. B.: „Regelt das untereinander“ … „Ihr sollt doch nicht petzen!“).