Warum sich den körperlichen Strapazen aussetzen, um sich bei Wind und Wetter stundenlang zu Fuß oder mit dem Rad durch Wald, Feld und Wiesen nach Trier zu begeben?
Nicht erst seit Hape Kerkelings „Ich bin dann mal weg…“ ist Pilgern populär. Seit Menschheitsgedenken gehört es zur Tradition in allen Religionen.
Pilgern (aus dem lateinischen „peregrinare“: „über den eigenen Acker hinaus gehen“) lädt ein, innere und äußere Grenzen zu überwinden. Indem sich der Mensch als Pilger auf den Weg zu einem Ziel begibt, tritt sie oder er hinaus aus der Alltagswelt, verlässt die Rollen, in denen zu leben jeder und jedem täglich aufgegeben ist. Pilger betreten eine neue Welt, in der sie fremd sind, in denen sie sich den Gegebenheiten und Unwegsamkeiten des Unterwegsseins aussetzen. Begrenzt durch ein Gepäck, das aufs Nötigste eingeschränkt werden muss, um überhaupt tragbar zu sein, begrenzt durch die eigenen körperlichen Kräfte – von nun an gelten MS (= Menschenstärke) statt PS - gelangen Pilger und Pilgerin an Grenzen; diese Grenzen können zu Chancen werden.
Was treibt einen Menschen dazu, sich selbst zum Packesel zu machen und aufzubrechen?
Eine uralte Sehnsucht, die jeder Mensch von Beginn an in sich trägt, ist die Wurzel aller Pilgerströme, die sich über die Erde ziehen. „Du hast uns zu dir hin geschaffen, Gott, und unser Herz ist unruhig, bis es Ruhe findet in dir.“ So umschreibt Augustinus den Aufruf Gottes an jeden von uns. In der Bibel ertönt das „Lech lecha“ (hebräisch: „geh gehend“) an Abraham und Sara zum Aufbruch aus Vertrautem in das verheißene Land.
Diesem Aufruf ähnlich lud das Motto der Heilig-Rock-Wallfahrt von 2012 mit den hier vorgestellten sieben Pilgerwegen ein, sich Pfarrei-, Stadt-, Bistums- und Länder-übergreifend in mehreren Tagesetappen nach Trier zu begeben. Das Wegenetz verbindet dabei Wallfahrtsorte, die z.T. in Vergessenheit geraten sind mit solchen, die sich noch immer großer Verehrung erfreuen. So korrespondiert die Faszination des Gewandes Jesu mit dem Wunsch, „auf Tuchfühlung“ zu gehen, etwas hautnah erleben zu wollen.
In seinem Menschsein wurde Gott in Jesus ein Gott zum „Anfassen“, begreifbar. Auf dem Pilgerweg kann jede und jeder das eigene Menschsein mit Leib, Seele und Geist erfahren, sich selbst neu begreifen lernen als eine von Gott geliebte Tochter, als ein von Gott geliebter Sohn.

