Zum Inhalt springen

Blick in die Zukunft?:Nostradamus und seine okkulten Prophezeiungen

In Zeiten der Krise und Unsicherheit haben Prophezeiungen Hochkonjunktur. Viele Astrologen, Seher und Zukunftsdeuter treten mit dem Anspruch auf, nun endlich die Wahrheit über die Zukunft voraussagen zu können.
Datum:
31. Mai 2020
Von:
Bistum Trier

Die rätselhaften und dunklen Verse, die Nostradamus hinterlassen hat, erfreuen sich dabei besonderer Beliebtheit. Sie werden häufig als Ankündigungen angeblich bevorstehender Katastrophen gedeutet. Die Angst, gepaart mit der Neugier und dem Wunsch nach dem Wissen, wie es nun mit der Menschheit und der Welt weitergeht, wird so auch zur Grundlage eines einträglichen Geschäfts. 

Wer war Nostradamus?

Nostradamus-Denkmal in Salon-de-Provence

Michel de Notredame (latinisiert: Nostradamus) stammt aus Frankreich. Er wurde am 14. Dezember 1503 in St. Remy in der Provence geboren. Seine Vorfahren waren wahrscheinlich spanische Juden. Der Vater trat zum katholischen Glauben über. Nostradamus studierte zunächst in Avignon antike Rhetorik (Redekunst) und widmete sich  später dem Studium der Medizin. 1529 wurde Nostradamus in Montpelier zum Doktor der Medizin promoviert und ließ sich in der Stadt Agen als Arzt nieder. Der junge Mann war ein Könner seines Fachs und erwarb sich als engagierter Bekämpfer der Pest großes Ansehen. Von 1548 an lebte Nostradamus in Salon, einem Ort in der Provence. Sein Interesse galt der Astrologie, er beschäftigte sich auch mit okkulten Schriften. 

Die Prophezeiungen

Das Wohnhaus des Nostradamus in Salon-de-Provence ist heute ein Museum

1555 veröffentlichte Nostradamus den ersten Teil seiner Centurien. Durch diese Prophezeiungen ist er bis heute bekannt. Diese Centurien sind Sammlungen von Versen, die aus vier Zeilen bestehen. Eine Centurie besteht aus 100 Versen. Nostradamus widmete die ersten sieben Centurien seinem Sohn Cesar. Im Vorwort zu diesen Prophezeiungen schreibt Nostradamus:

"Dein spätes Ankommen, mein Sohn Caesar Nostradamus, hat mich veranlasst niederzuschreiben, was ich seit langem in Nachtwachen zusammengetragen habe. (…). Was mir durch Gottes Wesenheit und astronomische Konstellationen zur Kenntnis gebracht wurde, soll zum allgemeinen Nutzen der Menschheit werden. Das Schlüsselwort zu den okkulten Prophezeiungen bleibt allerdings in meinem Inneren verschlossen. Man muss auch in Betracht ziehen, dass die Ereignisse letztlich ungewiss sind und dass alles regiert und verwaltet wird von der unbegreiflichen Macht Gottes."

Die letzten drei Centurien erschienen 1558. Nostradamus widmete sie dem König Heinrich II.  Nostradamus starb am 2. Juli 1566.

Sein Ruhm als Wahrsager künftiger Ereignisse verbreitete sich jedoch bereits zu seinen Lebzeiten. Der Grund dafür war ein Ereignis, dass Nostradamus 1555 in Vers 35 seiner ersten Centurie vorausgesagt haben soll.1559 kam bei einem Turnier mit Pferd und Lanze König Heinrich II. ums Leben. Sein Gegner, der schottische Graf von Montgomery, Gabriel de Lorges, hatte den König tödlich verwundet. Beim Zusammenprall war seine Lanze abgebrochen und das abgebrochene Ende durch das goldene Visier in das Auge des Königs eingedrungen. Nach qualvollem Leiden starb der König am 10. Juli 1559 an dieser Verletzung.
Die Prophezeiung, in der Nostradamus dieses Ereignis vorausgesagt habe soll, lautet:

"Der junge Löwe überwindet den alten auf kriegerischem Feld im Einzelwettkampf.
Im goldenen Käfig wird er ihm die Augen ausstechen. Von zweien dann stirbt einer eines grausigen Todes".

Obwohl diese Verse keine konkreten Angaben, wie beispielsweise Namen oder Jahreszahlen enthalten, wurde diese Prophezeiung auf dieses Ereignis hin gedeutet. Daran änderte auch nichts, dass dieses Tunier keine kriegerische Handlung war. Die beiden am Turnier Beteiligten waren zudem etwa im gleichen Alter. Seit diesem Ereignis wurden die Centurien des Nostradamus immer wieder nachgedruckt und dienen bis heute zahlreichen Deutern als Grundlage ihrer Zukunftsprognosen.

Die Centurien sind in einer verschlüsselten Sprache, einem Gemisch von Altfranzösisch, Latein und eigenen Wortneu- und -umbildungen abgefasst. Viele Verse sind kaum verständlich und schwer zu übersetzen, weil sie häufig aus unverbundenen Begriffen bestehen, denen ganz unterschiedliche Bedeutungen zugeschrieben werden können. Diese Undeutlichkeit – Nostradamus selbst spricht von „nebelhaften Bildern“ -  war offenbar bereits von Nostradamus selbst beabsichtig. Sie macht Spekulationen in vielfältige Richtungen möglich. Einzelne Verse wurden im Laufe der Geschichte ganz unterschiedliche übersetzt, unterschiedlich verstanden und auf ganz unterschiedliche Ereignisse angewendet. Dabei wurden sogar völlig gegensätzliche Verläufe desselben Ereignisses vorausgesagt.

Als angebliche Voraussagen eines bestimmten Ereignisses werden die Verse des Nostradamus oft erst dann herangezogen, wenn das entsprechende Ereignis bereits eingetreten ist. So wurde der Vers 72 seiner zehnten Centurie von vielen seiner Interpreten als Voraussage der Anschläge auf das World Trade Center am 11. September 2001 gedeutet - allerdings erst, als der Anschlag schon geschehen war.

Auch die Corona-Pandemie soll Nostradamus angeblich vorausgesagt haben. Auch hierzu finden sich in den Werken von Nostardamus keine Belege. Vielmehr werden Nostradamus erfundene Aussagen unterstellt, die er nie gemacht hat und die nicht aus seinen Werken stammen.

Fazit

Das Grab des Nostradamus befindet sich in der Kirche St. Laurent in Salon-de-Provence

Nostradamus war ganz Kind seiner Zeit, die von Glaubenspaltungen, der Pest und den Bauernkriegen bestimmt war. Er glaubte  wie viele Menschen seiner Zeit daran, dass man zukünftige Ereignisse langfristig voraussagen kann. Er berief sich dabei auch auf das letzte Buch der Bibel, die Offenbarung des Johannes, in der sich verschlüsselte, schwer zu deutende Bilder für zukünftige, zum Teil katastrophale Ereignisse finden. Nostradamus war überzeugt, dass prophetische Inspiration, Horoskop und natürliche Begabung die Voraussetzungen solcher Weissagungen sind. Die Überzeugung, dass man zukünftige Ereignisse durch die Bewegungen der Gestirne erkennen kann, spielte für Nostradamus eine besonders wichtige Rolle.

Die Gewissheit, mit der Nostradamus sich noch auf die Zuverlässigkeit der Gestirnsabläufe berufen zu können glaubte, ist im Laufe der Geschichte widerlegt worden, nicht nur durch die moderne Astronomie. Die Ereignisse, die Nostradamus angeblich selbst vorausgesagt hat, sind nachträgliche Interpretationen seiner undeutlichen und rätselhaften Verse. Sie lassen sich nicht ohne sehr weit gehende Interpretationen und Spekulationen auf einzelne geschichtliche Ereignisse beziehen.

Die Angstvisionen des Nostradamus eröffnen also weder einen Blick in die Zukunft, noch können sie hilfreich sein für die Bewältigung der Aufgaben und der Wahrnehmung unserer Verantwortung in der heutigen Zeit.

Für Christen gilt, was hoffnungs- und lebensstiftende Botschaft des Neuen Testaments zu solchen dunklen Spekulationen über angeblich bevorstehende Katastrophen sagt: "Gebt acht, dass euch keiner durch die Vorspiegelung höherer Erkenntnisse betrügt. Das alles ist nur von Menschen erdacht ... Mit Christus hat es nichts zu tun. Christus ist der Herr über alle Mächte und Gewalten. In ihm wohnt Gott mit der ganzen Fülle seines Wesens, und nur durch ihn habt Ihr Anteil an dieser Fülle." (Kol 2,8-10)

Stand: Mai 2020

Weitere Informationen

Nostradamus. Evangelische Informationsstelle: Kirchen - Sekten - Religionen

Nostradamus, Mühlhiasl und andere „Seher“. Materialdienst des Fachbereichs Sekten und Weltanschauungsfragen des Bistums Augsburg 2002, Download als PDF-Dokument

Wunder und Prophezeiungen – Eine Sehnsucht unserer Zeit. Materialdienst des Fachbereichs Sekten und Weltanschauungsfragen des Bistums Augsburg 2002, Download als PDF-Dokument

Bernd Harder: Druckerschwärze und Sternenstaub. Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) e. V.

Bernd Harder: Nostradamus -  Das "Prophetenspiel". Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) e. V

Bernd Harder: Nostradamus. Ein Mythos wird entschlüsselt. Aschaffenburg 2000.